13.11.2019

Raus aus den Schulden – aber wie?

Junge Union diskutiert über kommunale Verschuldung

Rheinland-pfälzische Kommunen sind mit rund 13,2 Mrd. Euro verschuldet. Besonders dramatisch ist die Lage in der pfälzischen Stadt Pirmasens. Zu einer Podiumsdiskussion um die Frage „Raus aus den Schulden – aber wie?“ lud die Junge Union Rheinland-Pfalz den Steuerzahlerbund ein. Gemeinsam mit Markus Zwick, Oberbürgermeister der Stadt Pirmasens, diskutierte Frank Senger über mögliche Lösungen.

Pirmasens gilt mit einer Verschuldung von mehr als 9.750 Euro/Einwohner als eine der am höchsten verschuldeten Städte Deutschlands. Dorthin lud die Junge Union Rheinland-Pfalz den Steuerzahlerbund ein, um über mögliche Maßnahmen zu sprechen, wie das – landesweit bestehende – Problem gelöst werden könne. Beim JU-Landesthementag diskutierten Frank Senger, Leiter der Abteilung Haushalt und Finanzen beim BdSt, mit dem Oberbürgermeister der Stadt Pirmasens, Markus Zwick, und einem interessierten jungen Publikum über Lösungen. Florian Bilic von der JU Pirmasens moderierte.

Bund und Land müssen Kommunen ausreichend ausstatten

Pirmasens steht beispielhaft für viele Regionen in Rheinland-Pfalz. Die pfälzische Stadt ist eher strukturschwach aufgrund des Niedergangs der Schuhindustrie und muss die Aufgabe eines großen Militärstandorts verkraften. Die Einwohnerzahl sank um von mehr als 60.000 Einwohnern in den 1960er Jahren auf heute rund 40.000. Bei fast elf Prozent liegt die Arbeitslosenquote. Aus dieser Situation heraus entstehen finanzielle Belastungen, die zum einen der Bund zu verantworten haben. Zum anderen ist das Land verantwortlich, das an sämtliche Kommunen Aufgaben überträgt, ohne für einen ausreichenden finanziellen Kostenausgleich zu sorgen.

Somit sehen Zwick und Senger durch den Bund und das Land Rheinland-Pfalz ein wichtiges Prinzip verletzt: das Konnexitätsprinzip. Wer bestellt, der bezahlt – so lässt sich dieses Prinzip zusammenfassen. Doch verstößt der Bund etwa bei Sozialleistungen, die er den Kommunen übertragen hat, gegen dieses Prinzip. Regelmäßig wird nicht einmal die Hälfte der kommunalen Kosten durch den Bund erstattet. Wiederum verlangt das Land von den Kommunen bspw. den Ausbau und Betrieb von Kindergärten, doch ausreichend Geld erhalten die Kommunen dafür nicht.

Auch der kommunale Finanzausgleich (KFA) schafft es nicht, den Missstand zu beheben. Laut dem Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz wird das Land von 1991 bis 2020 rund 6,3 Mrd. Euro aus dem KFA zulasten der Kommunen entnommen haben, die für den Landesanteil an den Personalkosten der Kindertagesstätten verwendet werden. Die zahlreichen weiteren Entnahmen, auch Befrachtungen genannt, summieren sich für den genannten Zeitraum auf fast 12,9 Mrd. Euro oder durchschnittlich rund 430 Mio. Euro pro Jahr. Senger hob hervor, dass diese wesentlich zur finanziellen Unterausstattung von Landkreisen, Städten und Gemeinden durch das Land beitragen.

Pirmasens‘ Oberbürgermeister Zwick merkte an, dass seine Stadt – gemeinsam mit dem Landkreis Kaiserslautern – gegen den KFA klage. Er will den andauernden Griff des Landes in die kommunale Geldbörse mit rechtlichen Mitteln beenden.

Kommunalreform hinterfragt

Während sich Zwick und Senger bei der unzureichenden kommunalen Finanzausstattung durch das Land einig waren, vertraten sie beim Punkt Kommunalreform unterschiedliche Standpunkte. Der Steuerzahlerbund wirbt für eine mutige Kommunalreform. Fusionen auf allen Gebietskörperschaftsebenen – von Orts- und Verbandsgemeinden bis hin zu den Kreisen und kreisfreien Städten – seien nötig, um effiziente Verwaltungsstrukturen aufzubauen. Mit Blick auf die Digitalisierung würden Fusionen auch für Bürger attraktiv werden. „Der kürzeste Weg zum Amt ist der aus dem eigenen Wohnzimmer“, so Senger.

Zwar sieht auch Zwick die großen Chancen der Digitalisierung und des E-Governments, aber nicht die einer Kommunalreform. „Wo soll denn die Fusionsrendite herkommen?“, fragt er. In der Einkreisung von kreisfreien Städten – wie Pirmasens – sieht er für die betroffenen Kommunen einen Rückschritt. So würde seine Stadt einen Großteil seiner Selbstständigkeit aufgeben müssen. Synergieeffekte gäbe es oft keine; etwa beim Jugendamt seien alle Mitarbeiter völlig ausgelastet, eine Fusion würde daran nichts ändern. Für die Landesregierung seien Einkreisungen vor allem deswegen interessant, weil sie einen statistischen Effekt hätten: Die hohe Pro-Kopf-Verschuldung von kreisfreien Städten wie Pirmasens, Kaiserslautern und Zweibrücken wird auf einen Schlag unsichtbar, aber tatsächlich bleiben die Schulden bestehen.

Für die Kommunen können Fusionen durch „Hochzeitsprämien“ attraktiv gestaltet werden, so Senger. Hochzeitsprämien etwa in Form der Übernahme von Altschulden durch das Land. Auch könnten manche Aufgaben von größeren Kommunen besser wahrgenommen werden als von kleineren Einheiten, wenn (Verwaltungs-)Mitarbeiter sich spezialisieren können. An dieser Stelle übte Senger Kritik an der Kommunalreform: Die Frage, welche öffentliche Aufgabe auf welcher Ebene (Land, Kreis, Verbands- oder Ortgemeinde) am sinnvollsten wahrgenommen wird, hätte zuerst beantwortet werden müssen. Erst danach hätte es erste Fusionen geben sollen.

Wirksame Entschuldungsprogramme auflegen

Der bestehende Kommunale Entschuldungsfonds KEF ist von seinem Volumen her viel zu klein, um stark verschuldete Städte nachhaltig von Kassenkrediten zu entschulden. Andere Bundesländer wie Niedersachsen und Hessen haben vorgemacht, wie ein Land seinen Kommunen wirksam und dauerhaft hilft. Niedersachsen übernahm zwischen 2009 und 2016 rund zwei Mrd. Euro an Kassenkrediten. Hessen hat gleich drei Programme auferlegt, vor allem übernimmt seit 2018 die „Hessenkasse“ rund 5 Mrd. Euro an kommunalen Kassenkrediten.

Zum Abschluss machte Senger auf einen Punkt aufmerksam, der keine sinnvolle Entschuldungs-Maßnahme ist. Kommunale Steuern wie die Grundsteuer B oder Gewerbesteuer zu erhöhen, führt gerade in strukturschwachen Regionen wie der Südwestpfalz und Pirmasens nicht zum Kassenschlager. Dort, wo das Steuerpotential niedrig ist, bewirken höhere Hebesätze nur minimal höhere Einnahmen, aber eine deutliche Verschlechterung der Standortfaktoren. Auch damit ganze Landstriche nicht unattraktiver für Unternehmen und Bürger werden, ist eine Lösung der kommunalen Schuldenprobleme dringender denn je.

Foto: Junge Union Rheinland-Pfalz

Fanden Sie diesen Artikel interessant? Unser Wirtschaftsmagazin „Der Steuerzahler“ informiert regelmäßig über aktuelle Themen, Steuertipps und Steuerurteile. Sparen Sie auch bares Geld mit unseren Ratgebern und Broschüren zu Steuerthemen sowie mit Rabatten aus dem BdSt-Sparerpaket. Informieren Sie sich HIER über die vielfältigen Vorteile einer Mitgliedschaft und treten Sie noch heute einer starken Gemeinschaft von Steuerzahlern bei.