06.03.2019

Umstrittener Vertrag mit Behindertenwerkstätten

Rechnungshof kritisiert „gesetzeswidrige Inhalte“

Nach einem Rechtsstreit hat das Land Rheinland-Pfalz mit allen 36 Behindertenwerkstätten einen Rahmenvertrag abgeschlossen. Der sieht für das Land die umstrittenen Prüfungsrechte vor. Dafür streiten sich nun der Rechnungshof und das Sozialministerium darum, ob die Prüfungen auch anlasslos erfolgen dürfen. Die Rechnungsprüfer warfen dem Land sogar „gesetzeswidrige Inhalte“ im Vertrag vor.

In Rheinland-Pfalz gibt es 36 Behindertenwerkstätten, die allesamt aus der Landkasse mit viel Steuergeld gefördert werden. Doch wie wird das Geld konkret verwendet? Das zuständige Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung wusste es nicht und wollte es jahrelang auch nicht wissen. Aufgrund der Kritik des Landesrechnungshofes wurde das Land dann doch noch tätig, aber von den Behindertenwerkstätten abgeblockt, weil es dafür keine vertragliche Grundlage geben würde. Im Jahr 2017 verklagte das Land schließlich alle 36 Behindertenwerkstätten, um eine Prüfung durchzusetzen (siehe Der Steuerzahler vom September 2017, S. 5).

Mitte 2018 wurde der Rechtsstreit zwischen Land und Werkstätten beigelegt, da beide Seiten sich vertraglich einigen wollten. Im Dezember 2018 verabschiedete der Landtag das Ausführungsgesetz zum Bundesteilhabegesetz. Darin wird den Trägern der Eingliederungshilfe ein anlassloses Prüfungsrecht gewährt. In Rheinland-Pfalz ist dies das Land. Bei einem Fördervolumen von mehr als 250 Mio. Euro pro Jahr wären umfassende Prüfungen der Werkstätten angebracht. Einen CDU-Antrag, der dem Rechnungshof direkte Prüfungen erlaubt hätte, lehnte die Ampel-Koalition wiederum ab.

Rechnungsprüfer werden fündig

Ende 2018 schloss das Land mit den Behindertenwerkstätten auch einen Rahmenvertrag ab. Der Landesrechnungshof bewertete den Rahmenvertrag besonders im Hinblick auf das wichtige anlasslose Prüfungsrecht – und kam zu einem erschreckenden Ergebnis: Entgegen dem eigenen Ausführungsgesetz sehe der Rahmenvertrag ein solches Recht gar nicht vor. Lediglich ein anlassbezogenes Prüfungsrecht sei vereinbart worden. Das Sozialministerium weist den Vorwurf von sich. Es gäbe durch das Bundesgesetz sehr wohl ein anlassloses Prüfrecht, heißt es aus dem Ministerium. Es ist aber nicht der einzige eklatante Mangel, den der Rechnungshof ausmacht. So wird beanstandet, dass unklar bleibe, welche Unterlagen die Werkstätten dem Land überhaupt zur Prüfung vorlegen müssten. Dies stelle für das Land eine Einschränkung dar.

Unverändert bliebe auch, dass Bundesstandards in Rheinland-Pfalz nicht eingehalten werden, wodurch die Behindertenwerkstätten vergleichsweise hohe Fördersätze erhielten. Auch im Rahmenvertrag fanden die Rechnungsprüfer Risikozuschläge zugunsten der Werkstätten, die in anderen Bundesländern nicht vereinbart seien. Ferner zahle das Land einen Aufschlag auf die Leistungspauschale. Der Rechnungshof kann bei den Werkstätten keine Kosten erkennen, welche solche Aufschläge rechtfertigen. Als Ergebnis verpflichte sich das Land, den Werkstätten jährlich zweistellige Millionenbeträge zu leisten, denen keine Kosten gegenüberstünden. Zudem bestehe die Gefahr von Doppelfinanzierungen durch das Land zugunsten der Werkstätten: So seien aus Investitionsbeträgen öffentliche Förderungen herauszurechnen, wenn das Land seinerseits Zuschüsse gewähre. Ferner müssten auch Abschreibungen berücksichtigt werden.

BdSt-Fazit:

Wenn der Rahmenvertrag die Mängel aufweist, die der Rechnungshof rügt, käme das Land vom Regen in die Traufe. Bereits in Vergangenheit hatte der Rechnungshof bemängelt, Rheinland-Pfalz zahle im Vergleich zu anderen Ländern rund 30 Mio. Euro zu viel im Jahr an die Behindertenwerkstätten. Trotz des Streites würden weiterhin Millionenzahlungen an die Werkstätten geleistet werden, die im Bundesvergleich unüblich hoch und daher unangebracht sind. Davon haben auch die Behinderten in den Werkstätten nichts. Will das Sozialministerium die harte Kritik der Rechnungsprüfer ausräumen, so muss das Land schleunigst nachverhandeln.

Foto: Fotolia/industrieblick

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