22.05.2018

Rechnungshof will Behindertenwerkstätten prüfen

Unnötige Kosten in Millionenhöhe?

Zu hohe Tagessätze und keinerlei Prüfungen durch die zuständigen Stellen: Der Umgang mit den Behindertenwerkstätten in Rheinland-Pfalz ist weiterhin mangelhaft und soll Zusatzkosten in Millionenhöhe verursachen. Deshalb fordert der Landesrechnungshof für sich ein Prüfungsrecht. Allerdings lehnt das die Ampel-Landesregierung strikt ab. Aus Steuerzahlersicht ist das fatal.

Werkstätten für behinderte Menschen sind Einrichtungen zur Eingliederung körperlich oder geistig beeinträchtigter Personen in den Arbeitsmarkt. Die soziale und finanzielle Bedeutung der Behindertenwerkstätten ist groß. Ende 2016 arbeiteten in Rheinland-Pfalz rund 13.800 Behinderte in 36 Werkstätten. Die Kosten dafür beliefen sich auf rund 240 Mio. Euro, die das Land sowie die Landkreise und kreisfreien Städte jeweils zur Hälfte tragen. Zudem schätzt der Landesrechnungshof rund 58 Mio. Euro an weiteren Kosten anderer öffentlicher Stellen.

Bei solchen Zahlen ist es umso erstaunlicher, dass das zuständige Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung (kurz LSJV) erhebliche Defizite im Umgang mit den Behindertenwerkstätten aufweist. So bemängelt der Rechnungshof etwa, dass das LSJV die Werkstätten nicht prüfe und Tagessätze nicht den realen Gegebenheiten vor Ort entsprechen. Die Tagessätze sollen dazu beitragen, die Kosten der Werkstätten zu decken. Doch unterschied das LSJV hierbei nicht, ob ein Behinderter in Teil- oder Vollzeit seiner Arbeit nachgehe und in welchen Bereichen jener tätig ist. Dabei sind das Faktoren, die die Sätze widerspiegeln müssten. Somit erwächst der ungeheure Verdacht, dass die Träger der Sozialhilfe seit Jahrzehnten gar nicht wissen, ob ihre Zahlungen an die Behindertenwerkstätten voll gerechtfertigt sind oder eben nicht.

Bundesstandards werden nicht eingehalten

Der Rechnungshof darf die Werkstätten nicht direkt prüfen. Doch er prüfte die Entgeltvereinbarungen zwischen LSJV und den Werkstätten. Die Prüfung zeigte erhebliches Einsparpotential auf, wenn das Land von bundesweiten Standards nicht abweichen würde. So dürfen hierzulande deutlich mehr Sozialarbeiter und -pädagogen eingesetzt werden als in anderen Bundesländern. Zudem berücksichtigen die Tagessätze diverse Kosten, die anderswo nicht abgegolten werden. Darunter sind Kosten, die eigentlich aus den Produktionserlösen der Werkstätten zu decken sind, z.B. Ausgaben für Fahrer und Lageristen. Als Konsequenz liegen die Sätze in Rheinland-Pfalz rund 22 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Rechnerisch wurden demnach den Betreibern der Werkstätten rund 30 Mio. Euro pro Jahr zu viel gezahlt – und selbst das ohne Prüfung der Geschäftszahlen oder der tatsächlichen Zahl der Betreuer!

Wegen den Kontrolldefiziten fordert der Rechnungshof für sich das Recht, die Werkstätten selbst prüfen zu dürfen, nicht nur die Unterlagen des LSJV. Die Landesregierung hatte zwar im vergangenen Jahr eine Rechtsverordnung für die Werkstätten erlassen, die den Trägern der Sozialhilfe ein anlassbezogenes Prüfungsrecht gewährt – aber ohne Einbezug des Rechnungshofes. Der kritisierte jüngst, das neue Prüfungsrecht sei bislang noch nicht ausgeübt worden. Einen Gesetzesentwurf der CDU-Opposition, der dem Rechnungshof auch Prüfungen der Werkstätten erlauben sollte, lehnten die Ampel-Koalitionäre im April 2018 ab. Gleichwohl läuft weiterhin die Klage des Landes gegen alle 36 Behindertenwerkstätten in Rheinland-Pfalz auf die Möglichkeit anlassloser Prüfungen, die wiederum von den Werkstätten abgelehnt werden.

BdSt-Fazit:

Die Arbeit der Werkstätten für behinderte Menschen ist gesellschaftlich wichtig und verdient Anerkennung. Umgekehrt sollten die Betreiber aber anerkennen, dass die öffentlichen Geldgeber ein anlassloses Prüfungsrecht erhalten sollten. Denn wer zahlt, muss wissen dürfen, wofür er zahlt. Das kommt zuletzt auch den behinderten Beschäftigten zugute, die gar nichts davon haben, wenn beispielsweise Betreuerstellen nur auf dem Papier stehen. Der BdSt begrüßt daher die Auskunftsklage des Landes Rheinland-Pfalz.

Fatal ist aber, dass die Ampel-Koalition kein ergänzendes Prüfungsrecht für den Rechnungshof will. Dass seit Jahrzehnten keine Prüfungen vorgenommen wurden, verdeutlicht die Notwendigkeit seiner Beteiligung. Die Rechnungsprüfer werden nicht von wahltaktischen Überlegungen gehemmt, sie müssen keine teuren Versäumnisse alter Parteigenossen schönreden, sie sind unabhängig und sie müssen auch keine Konfrontation mit den Wohlfahrtsverbänden scheuen, wenn diese Steuergeld verschwenden sollten. Den Rechnungshof gibt es nicht ohne Grund – nutzen wir ihn.

Foto: Fotolia/industrieblick

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