06.12.2018

Altschuldenproblematik lösen – Zukunftschancen ermöglichen

Gastbeitrag von Dr. Karl-Heinz Frieden, GStB Rheinland-Pfalz

Seit Jahrzehnten sind die rheinland-pfälzischen Kommunen einer der Spitzenreiter bei der Pro-Kopf-Verschuldung. Mit 1.813 Euro pro Einwohner weisen die Kommunen in unserem Land nach dem Saarland die höchste Verschuldungsrate auf. Trotz eines guten Wirtschaftswachstums und zurückgehender Arbeitslosigkeit kommen die kommunalen Haushalte nicht ohne neue Schulden aus. Die Bewältigung der Folgen des demografischen Wandels, den Fachkräftemangel und die Digitalisierung werden wir nur meistern, wenn die Kommunen auch ausreichend finanzielle Spielräume für Gestaltung und Investitionen haben.

Der Schuldenberg wird zur großen Gefahr für die Zukunft der Kommunen, da er nicht nur vielen kreisfreien Städten, sondern mittlerweile auch 30 Prozent der kreisangehörigen Gemeinden den unverzichtbaren Gestaltungsspielraum nimmt. Die desolate Finanz- und Verschuldenssituation ist nicht von den Kommunen selbst verursacht, sondern liegt in der jahrzehntelangen Unterfinanzierung insbesondere der kommunalen Sozialleistungen durch Bund und Land. Zwischen 1990 und 2017 betrugen die Finanzierungssalden laut Rechnungshof Rheinland-Pfalz im Durchschnitt -293 Millionen Euro. Bis 2014 schlossen alle Kommunen 25 Jahre mit einem mehr oder weniger hohen negativen Finanzierungssaldo ab. Seit Jahren verspricht die Politik immer neue und bessere Leistungen und Rechtsansprüche, ohne die ausreichende Finanzierung auf der kommunalen Ebene sicherzustellen.

Deshalb brauchen wir jetzt ein konsequentes Entschuldungsprogramm und einen Maßnahmenkatalog, damit die Kommunen generell ihre Ausgaben mit den Einnahmen und Zuweisungen decken können.

Das Zinsniveau befindet sich auf einem historischen Tiefstand. Eine langfristige Kreditaufnahme des Landes für einen Altschuldenfonds würde sich unter Einbeziehung laufender Programme weitgehend selbst finanzieren: Die geringen Zinsen liegen nach wie vor deutlich unter der Inflationsrate. Dieser Zustand wird nicht anhalten, deswegen müssen die Chancen jetzt genutzt werden.

Der Blick über die Landesgrenzen zeigt, dass andere Länder wie Hessen, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen die Zeichen bereits erkannt haben und Entschuldungsprogramme erarbeiten. Nunmehr hat auch das Saarland ein Entschuldungsprogramm für die kommunalen Kredite zur Liquiditätssicherung aufgelegt und übernimmt 50 Prozent der genannten Kredite. Durch die Halbierung der Schulden halbiert sich auch die Pro-Kopf-Verschuldung auf 1.100 Euro, und die rote Schuldenlaterne wird an Rheinland-Pfalz weitergegeben. Unsere Landespolitik darf diese Chance nicht verschlafen, denn sonst laufen wir Gefahr, im föderalen Wettbewerb mit den Kommunen in den anderen Bundesländern abgehängt zu werden.

Die Landesregierung indes scheint weder die Chance noch den Handlungsbedarf zu sehen und lehnt weiterhin die Vorschläge der Kommunalen Spitzenverbände für ein neues Entschuldungsprogramm ab. Der 2010 eingerichtete kommunale Entschuldungsfonds (KEF-RP) soll insoweit ausreichend sein. Tatsächlich wurde jedoch das nach dem KEF-RP für Ende 2016 unterstellte Konsolidierungsziel um rund 3,4 Mrd. Euro verfehlt. Es ist fraglich, ob der KEF-RP vor diesem Hintergrund als wirksam bezeichnet werden kann. Der aktuelle Schuldenstand der Städte, Gemeinden und Kreise im Land spricht eine andere Sprache.

Landesprogramme enttäuschen

Abhilfe soll aus Sicht des Landes das Aktionsprogramm „Kommunale Liquiditätskredite“ mit seinem Zinssicherungsschirm sowie Stabilisierungs- und Abbau-Bonus schaffen. Was zunächst gut klingt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung allerdings als Enttäuschung. Der Zinssicherungsschirm steht nur 94 und der Stabilisierungs- und Abbau-Bonus nur 52 Kreisen, kreisfreien Städten sowie Verbandsgemeinden und verbandsfreien Gemeinden von 209 Kommunen offen. Die 2.262 Ortsgemeinden, die ebenfalls zum Teil sehr hohe Liquiditätskredite haben, sind von vornherein ausgeschlossen. Auch erhalten die berechtigten Kommunen – gemessen an den Schulden – mit lediglich 29,8 Mio. Euro nur geringe Zuweisungen, da das Programm mit seinen beiden Bestandteilen insoweit nicht mit ausreichenden Finanzmitteln hinterlegt ist. Die Weichen sind somit von vornherein so gestellt, dass keine größeren Entschuldungserfolge erzielt werden können.

Der Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz hat bereits einen Vorschlag zum kommunalen Schuldenabbau über eine Ablösung der Liquiditätskredite auf den Tisch gelegt. Dabei ist sicher allen politisch Handelnden klar, dass eine Lösung nur durch eine konzertierte Aktion von Land und Kommunen erreicht werden kann. Zudem besteht die Chance, dass der Bund sich solidarisch beteiligt. Jedenfalls ist mit der Gründung einer AG „Altschulden“ im Rahmen der Kommission zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse die Grundlage gelegt.

Niemandem ist geholfen, wenn Bund und Länder sich über die schwarze Null und ausgeglichene Haushalte freuen, aber vor Ort die Lichter ausgehen. Der Altschuldenabbau ist ein dringend erforderlicher Schritt. Finanzielle Handlungsfähigkeit erlangen die Kommunen jedoch erst, wenn die Landesregierung den Kommunen über ihr Konto, den Kommunalen Finanzausgleich, auskömmliche Mittel bereitstellt und die Einnahmen regelmäßig die Ausgaben übersteigen.

Foto: Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz e. V.

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