18.09.2018

Stärkster Schuldenrückgang seit 55 Jahren

Landes- und Kommunalschulden bleiben aber hoch

Mit insgesamt 44,4 Mrd. Euro waren Rheinland-Pfalz und seine Kommunen Ende 2017 hoch verschuldet. Gegenüber dem Vorjahr sank die öffentliche Verschuldung um rund 1,6 Mrd. Euro. Das ist der stärkste Rückgang seit mehr als 50 Jahren. Allerdings bleibt die Verschuldung auf einem überdurchschnittlich hohen Niveau.

Die gute Nachricht zuerst: Sowohl das Land Rheinland-Pfalz als auch die Kommunen konnten ihre Schulden im Jahr 2017 gegenüber dem Vorjahr abbauen. Landesweit tilgte die öffentliche Hand rund 1,6 Mrd. Euro an Krediten. Die Gesamtverschuldung betrug Ende 2017 noch 44,4 Mrd. Euro. Das sind rund 4,5 Prozent weniger als im Vorjahr. Tatsächlich handelt es sich um den stärksten Rückgang seit 1962, als die Verschuldung sogar um 9,1 Prozent verringert wurde. Rechnerisch hatte Ende 2017 jeder der vier Millionen Rheinland-Pfälzer noch stolze 10.900 Euro an öffentlichen Schulden zu tragen. Im Jahr zuvor waren es 420 Euro mehr pro Kopf.

Der größte Teil der Verschuldung geht auf das Konto des Landes. Knapp 31,8 Mrd. Euro an Verbindlichkeiten hatten sich bis Ende 2017 angehäuft. Pro Einwohner sind das etwa 7.800 Euro. Gegenüber 2016 wurden die Landesschulden um rund 900 Mio. Euro reduziert. Bereits seit fünf Jahren wächst der Schuldenberg des Landes nicht mehr – 2017 ist dieser um 3,6 Prozent niedriger als 2012. Auf lange Sicht gesehen ist der Schuldenstand aber deutlich gestiegen. Gegenüber dem Jahr 2000 nahm die Verschuldung des Landes um 61 Prozent zu. Die der Kommunen stieg in diesem Zeitraum sogar um 75 Prozent!

Kommunale Verschuldung ist stark differenziert

Zumindest im Vorjahresvergleich konnten die Kommunen – gemeint sind Landkreise mit ihren Verbands- und Ortsgemeinden sowie kreisfreie Städte – einen Schuldenrückgang verzeichnen. Im Jahr 2017 wurden sogar mehr Kredite zurückgezahlt als jemals zuvor in der Geschichte von Rheinland-Pfalz! Trotz Rekord wurden nur 0,8 Prozent der kommunalen Schulden abgebaut. Damit sind sämtliche rheinland-pfälzische Kommunen zusammengerechnet noch mit 12,6 Mrd. Euro bzw. 3.100 Euro pro Einwohner verschuldet. Allerdings ist es bei den Kommunen sehr wichtig, genauer hinzuschauen. Für Landkreise und kreisfreie Städte zeigen sich nämlich deutliche Unterschiede.

Zwölf kreisfreie Städte hat Rheinland-Pfalz, in denen etwas mehr als eine Million Menschen leben. Rechnerisch standen sie Ende 2017 mit rund 5.700 Euro pro Kopf in den Miesen. Die Gesamtverschuldung aller kreisfreien Städte lag bei rund 6 Mrd. Euro. Die Verschuldungslage unterscheidet sich jedoch zwischen den Städten erheblich. Die am höchsten verschuldete Stadt ist Pirmasens. Jeder Pirmasenser trägt rechnerisch 9.700 Euro Schulden. An zweiter Stelle der negativen Rangliste steht Kaiserslautern mit mehr als 9.000 Euro pro Einwohner. Finanziell schlecht geht es auch Zweibrücken – die Stadt ist mit rund 7.400 Euro ebenfalls hoch verschuldet. Immerhin konnten diese drei Städte im Jahr 2017 ihre Schulden abbauen. Zweibrücken verringerte die Schulden um 3,4 Prozent, Pirmasens um zwei Prozent und Kaiserslautern um ein Prozent. Schuldenfrei ist keine einzige kreisfreie Stadt im Land.

Gleichfalls sind bei den 24 Landkreisen in Rheinland-Pfalz große Unterschiede festzustellen. In der Summe kommen die Landkreise in ihren Haushalten auf einen Schuldenstand von 2,4 Mrd. Euro. Das entspricht 800 Euro pro Einwohner in den Landkreisen. Die höchste Verschuldung weist hierbei der Landkreis Kusel mit 2.665 Euro je Einwohner auf. In nur vier der 24 Landkreise stiegen die Schulden 2017 – Kusel gehörte mit satten 4,3 Prozent Anstieg dazu. Im Durchschnitt sank die Verschuldung der Landkreis-Haushalte aber um 4,2 Prozent. Zumindest ein Landkreis ist schuldenfrei: Der Kreis Mainz-Bingen hat keine Kredite am Laufen.

Das Problem der Kassenkredite

Schulden sind aber nicht gleich Schulden. Es wird zwischen Wertpapierkrediten, Investitionskrediten und Kassenkrediten unterschieden. Wertpapierkredite haben unterschiedliche Laufzeiten, sie können mit oder ohne Zweckbindung aufgenommen werden. Ein bekanntes Beispiel dafür sind Bundesschatzbriefe. Investitionskredite dienen wiederum zur Finanzierung einer Investition oder zur Umschuldung. Diese Kredite werden meistens langfristig aufgenommen. Im Gegensatz dazu dienen Kassenkredite zur Liquiditätssicherung, deswegen werden sie auch Liquiditätskredite genannt. Kassenkredite sind eine Art Dispo-Kredit der Kommunen und sollten eigentlich nur aufgenommen werden, wenn es finanziell mal kurzfristig eng wird – keinesfalls sollten sie eine strukturelle Verschuldung darstellen. Soweit die Theorie.

Allerdings haben sich insbesondere die rheinland-pfälzischen Kommunen hoch über Kassenkredite verschuldet. Die kreisfreien Städte haben Kassenverbindlichkeiten von etwa drei Mrd. Euro, d.h. deren Anteil lag bei durchschnittlich 50 Prozent! Auch die Landkreise hielten die Hälfte ihrer Schulden von insgesamt 2,4 Mrd. Euro in Form von Kassenkrediten. Im Gegensatz dazu hatte das Land Ende 2017 nur etwa 460 Mio. Euro als Kassenkredit, etwa 1,4 Prozent der Landesschuld. Rund acht Mrd. Euro der Landesschulden sind Investitionskredite. Hauptsächlich nutzt Rheinland-Pfalz Wertpapierkredite.

Schlechtes Abschneiden im Bundesländer-Vergleich

Im Vergleich der Bundesländer schneidet Rheinland-Pfalz schlecht ab. Sowohl das Land als auch seine Kommunen waren Ende 2017 überdurchschnitt stark verschuldet. Wird ausschließlich die Landesebene betrachtet, wiesen nur vier Bundesländer eine höhere Pro-Kopf-Verschuldung auf als Rheinland-Pfalz, das mit 7.800 Euro je Einwohner verschuldet ist. In Sachsen-Anhalt waren es mit rund 9.300 Euro schon deutlich mehr. Noch stärker verschuldetet waren Nordrhein-Westfalen mit 9.700 Euro und Schleswig-Holstein mit 10.100 Euro pro Einwohner. Den höchsten Schuldenstand pro Einwohner hatte das Saarland mit sage und schreibe 14.100 Euro.

Noch schlechter als das Land stehen die rheinland-pfälzischen Kommunen im bundesweiten Vergleich da. Landkreise, Städte, Verbandsgemeinden und Gemeinden hatten zusammen die zweithöchste Verschuldung aller Flächenländer! Je Einwohner summierte sich der Schuldenstand der rheinland-pfälzischen Kommunen auf 3.100 Euro. Nur im Saarland war die kommunale Verschuldung mit knapp 3.700 Euro pro Kopf höher. Der durchschnittliche Schuldenstand der Kommunen in westdeutschen Flächenländern lag hingegen knapp unter 2.000 Euro je Einwohner.

Kommunen hatten 2017 Rekord-Steuereinnahmen

Dass rheinland-pfälzische Gebietskörperschaften hoch verschuldet sind, hat vor allem strukturelle Gründe. Zum einen missachten Bund und Land das Konnexitätsprinzip. „Wer bestellt, der bezahlt“ gilt insbesondere bei Sozialleistungen nicht, die von den Kommunen bezahlt werden müssen. Bund und Land weisen den Aufgabenerbringern nicht die notwendigen Finanzmittel zu. Dabei machen die Sozial- und Jugendhilfen einen Großteil der kommunalen Ausgaben aus.

So erklärt sich auch die massive Zweckentfremdung der Kassenkredite durch die Kommunen. Denn die Defizite aus den Sozial- und Jugendhilfekosten können nicht über Investitionskredite kompensiert werden. Entsprechend drückt das Land Rheinland-Pfalz beide Augen zu und erlaubt bei den kommunalen Kassenkrediten eine Laufzeit von bis zu zehn Jahren. So lang kann eine kurzfristige Zwischenfinanzierung ausgelegt werden.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Kommunen im Land geringere Steuereinnahmen als andernorts verzeichnen. Deshalb haben sie auch eine unterdurchschnittliche Finanzkraft. In Verbindung mit hohen Pflichtausgaben und der mangelnden Umsetzung des Konnexitätsprinzips, begünstigt das eine hohe Verschuldung.

Dass sowohl das Land Rheinland-Pfalz als auch in Summe seine Kommunen im Jahr 2017 Schulden abbauen konnten, liegt hauptsächlich an besonderen Effekten. Der Bund zahlte den Ländern 2,5 Mrd. Euro mehr an Zuweisungen als im Vorjahr, nämlich rund 19,6 Mrd. Euro. Außerdem waren die Zinsen fortgesetzt recht niedrig, was besonders hochverschuldeten Ländern und Kommunen bei ihrer laufenden Umschuldung nützt.

Den wichtigsten Grund für das positive Haushaltsergebnis steuerten aber die Bürger und Unternehmen bei – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Ursprünglich rechnete das Land 2017 mit Steuereinnahmen von rund 13 Mrd. Euro. Tatsächlich vereinnahmte Rheinland-Pfalz rund 900 Mio. Euro mehr, also fast 14 Mrd. Euro. Durch die hohen Steuereinnahmen erzielte das Land einen Überschuss, statt wie geplant rund 273 Mio. Euro an Krediten aufzunehmen. Positiv aus Steuerzahlersicht: Der Haushaltsüberschuss floss vollständig in die Schuldentilgung.

Auch die Kommunen im Land konnten sich über sprudelnde Geldquellen freuen. Im Jahr 2017 erzielten sie mit 4,43 Mrd. Euro die höchsten Steuereinnahmen in ihrer Geschichte. Im Ergebnis  sind das 261 Mio. Euro mehr als im Jahr 2016. Auf die Realsteuern, d.h. Grundsteuern und Gewerbesteuer, entfielen 2,39 Mrd. Euro. Das entspricht einem Plus von 60 Mio. Euro, was aber auch teilweise an höheren Hebesätzen lag (siehe Der Steuerzahler vom Juni 2018, S. 6-7). Der kommunale Anteil an den Gemeinschaftssteuern, allen voran die Einkommensteuer, lag 2017 bei 1,95 Mrd. Euro. Das sind rund 190 Mio. Euro mehr als 2016. Sonstige Steuern und steuerähnliche Einnahmen stiegen um 9 Mio. Euro auf rund 97 Mio. Euro.

BdSt-Fazit:

Der partielle Schuldenabbau in 2017 ist aus Steuerzahlersicht sehr erfreulich, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass  Rheinland-Pfalz und seine Kommunen nach wie vor überdurchschnittlich hoch verschuldet sind. Für eine langfristige und systematische Entschuldungspolitik ist noch viel zu tun – vom Bund, vom Land und von den Kommunen.

Erstens sollte das Konnexitätsprinzip durch Bund und Land zugunsten der Kommunen strikt angewendet werden. Wenn die Kommunen Pflichtaufgaben erhalten oder weiterhin leisten sollen, müssen sie dafür finanziell von der verantwortlichen Ebene vollständig kompensiert werden. Das ist nicht nur fair, sondern kann auch zu einer sparsameren Politik anhalten. Wer selbst für Wohltaten bezahlen muss, zeigt sich in der Regel weniger freigiebig, als wenn er dazu das Geld anderer Leute verwendet.

Zweitens sollte das Land eine Entschuldungsregelung für die kommunalen Kassenkredite finden. Ein Entschuldungsprogramm sollte am besten mit dem politischen Projekt einer Neuordnung der höchst kleingliedrigen Kommunallandschaft verbunden sein. Beispielsweise könnte das Land einen Großteil der Kassenkredite der Fusionspartner als „Hochzeitsgeschenk“ ablösen. Wie die vergangenen Jahre gezeigt haben, war der kommunale Entschuldungsfonds des Landes Rheinland-Pfalz eine unzureichende Lösung.

Drittens sollte das Land prüfen, in welchen Aufgabenbereichen die Wahrnehmung und Zuständigkeiten besser von den Kommunen an das Land zurückfallen könnten. Auf diese Weise würden die Kommunen eine Entlastung erfahren und die Aufgaben könnten zentralisiert besser wahrgenommen werden. Ein gutes Beispiel dafür sind die gravierenden Probleme im Asyl- und Aufenthaltsrecht. Seien es etwa die Abschiebungen oder die Altersfeststellungen vermeintlich Minderjähriger – das Land sollte solche Aufgaben in eigener Verantwortung übernehmen.

Viertens müssen natürlich auch die Kommunen sehen, wo sie in eigener Verantwortung effizienter arbeiten, besser wirtschaften und mehr sparen können. Wie BdSt-Vergleiche wiederholt gezeigt haben, gibt es eben immer wieder Kommunen, die besser und/oder kostengünstiger ihren Tätigkeiten nachgehen als andere. Entsprechend könnte hier die Best-Practice-Methode hilfreich sein.

Foto: Fotolia/Zerbor

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