29.11.2018

Scholz‘ Grundsteuer-Idee gegen bezahlbares Wohnen

Bürger in Ballungsräumen sowie Familien und Handwerker besonders negativ betroffen

Die Grundsteuer muss reformiert werden. Bundesfinanzminister Scholz hat dazu einen komplizierten Vorschlag auf den Tisch gelegt, der mindestens fünf Komponenten allein für die Bemessungsgrundlage enthalten soll. Verlierer sind vor allem Familien und Handwerker sowie alle Bürger in Gebieten mit steigenden Mieten. Der Steuerzahlerbund bevorzugt ein einfaches Modell.

Im April 2018 fiel das Bundesverfassungsgericht ein Urteil, das einen entscheidenden Teil der Grundsteuer für verfassungswidrig erklärte: den Einheitswert. Der Einheitswert ist die eigentliche Bemessungsgrundlage der kommunalen Steuer auf Immobilienbesitz. Die Höhe der Grundsteuer wird berechnet, indem der Einheitswert multipliziert wird mit der Grundsteuermesszahl, die von der Art der Bebauung abhängt. Ein Einfamilienhaus hat etwa die Messzahl 2,6 Promille, eine Eigentumswohnung 3,5 Promille. Als dritter Faktor kommt der Hebesatz dazu, der von der Kommune festgelegt wird.

An der Rechnung „Einheitswert x Messzahl x Hebesatz“ wird deutlich, dass es für die Politik zahlreiche Hebel gibt, um an der Steuerschraube zu drehen. Während der Bund die Messzahlen erhöhen könnte, steigen regelmäßig die kommunalen Hebesätze. Erstaunlicherweise hatte es die öffentliche Verwaltung jahrzehntelang versäumt, die Einheitswerte der Grundstücke und Immobilien zu aktualisieren, die sogenannte Hauptfeststellung. Die Einheitswerte in den alten Bundesländern stammen aus dem Jahr 1964, in den neuen Bundesländern sind sie noch älter, nämlich von 1935. Aufgrund von gestiegenen Immobilienpreisen wären die Einheitswerte bei einer aktuellen Hauptfeststellung in den allermeisten Fällen deutlich höher als 1964 bzw. 1935. Für die Immobilienbesitzer hätte dies – unter sonst gleichen Umständen – zu einer höheren Grundsteuer geführt.

Einheitswerte sind schwierig zu ermitteln

Warum ließ der Staat diese Steuerschraube ungenutzt? Die Antwort dürfte in den umfangreichen und teuren Bewertungen für die Hauptfeststellung liegen. Die Einheitswerte von 1964 kamen erstmalig im Jahr 1974 zur Anwendung. Die Bewertung und ihre Umsetzung dauerten ganze zehn Jahre!

Heute bilden die Einheitswerte nur noch selten die tatsächlichen Immobilienwerte ab. Etwa bei Neubauten, wenn erstmalig ein Einheitswert errechnet werden muss. Fortschreibungen erfolgen in der Regel nur anlassbezogen, wenn Schwellenwerte erreicht werden. Das Bundesverfassungsgericht erkannte eine Ungleichbehandlung der Steuerzahler durch Wertverzerrungen. Deshalb ist der Einheitswert als verfassungswidrig beurteilt worden. Bis Ende 2019 hat die Politik Zeit, sich auf eine neue Bemessungsgrundlage zu verständigen. Bis 2024 muss dieses Modell umgesetzt worden sein.

Scholz legt zwei Reformideen vor

Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat auf der Finanzministerkonferenz zwei Vorschläge zur Reform vorgestellt. Der eine ist kompliziert und würde für die Bürger zu automatischen Steuererhöhungen führen. Der andere ist ein einfaches Modell, das sich an Grundstücks- und Gebäudefläche orientiert. Scholz bevorzugt das Modell mit der Erhöhungs-Automatik.

Im Lieblingsmodell des Bundesfinanzministers wird der Einheitswert durch fünf Komponenten ersetzt: Miethöhe, Baujahr, Fläche von Grundstück und ggf. Gebäude sowie dem Bodenrichtwert. Wer im Eigentum wohnt, dem soll eine fiktive Miete unterstellt werden. Man darf davon ausgehen, dass eine höhere Miete und ein höherer Bodenrichtwert zu einer höheren Steuer führen sollen. Ebenso dürften jüngere Gebäude mehr belastet werden als alte und mit der Fläche wächst auch die Steuerlast.

Scholz‘ Lieblingsvorschlag hätte fatale Wirkungen

Die Wirkungen einer solchen Grundsteuer wären fatal. Auf angespannten Wohnungsmärkten mit steigenden Mieten und Kaufpreisen wäre ein Erhöhungs-Automatismus eingebaut. Ohne permanente Hebesatzsenkungen würde die Grundsteuer immer weiter steigen. Sinkende Hebesätze aber sind höchst selten, wie jährliche Erhebungen des Steuerzahlerbundes zeigen. Die Sonntagsreden der Parteien über bezahlbaren Wohnraum sind offenbar schnell vergessen, wenn der Staat ans Geld seiner Bürger will.

Auch für das Handwerk beinhaltet der Reformvorschlag von Scholz eine böse Überraschung. Wenn nämlich nicht das tatsächliche Baujahr, sondern das technische Baujahr steuerlich berücksichtigt wird, führen Sanierungen zu Steuererhöhungen. Sogar Werterhaltungsmaßnahmen würden die Grundsteuer erhöhen, da so regelmäßig das technische Baujahr verjüngt wird. Vor diesem Hintergrund wirkt die Reform wirtschaftsschädigend. Die Anreize zu Erhalt und Sanierung sinken, der allgemeine Wohnungszustand würde sich verschlechtern.

Schließlich wären Familien mit Kindern die besonderen Verlierer des Modells. Aus Gründen des Bedarfs, nicht des Luxus, wohnen sie tendenziell in größeren Wohnungen als kinderlose Paare. Mehr Wohnfläche führt zu einer höheren (fiktiven) Miete, was die Grundsteuer steigen lässt. Berücksichtigt die neue Grundsteuer auch die Grundstücks- und Wohnungsfläche, zahlen sie erneut mehr Grundsteuer, obwohl die Fläche bereits über die Miete abgebildet wird.

Steuerzahlerbund plädiert für Flächen-Modell

Für den Steuerzahlerbund ist es wichtig, dass es für Immobilienbesitzer nicht teurer wird. Zwar ist klar, dass es durch die Reform Gewinner und Verlierer geben wird. Manche werden mehr Grundsteuer zahlen als bisher, andere weniger. Dafür ist die Reform gedacht. Aber sie lässt sich bürgernah gestalten. Deswegen plädiert der BdSt für ein wertunabhängiges Bewertungsmodell, das sich nach Grundstücksfläche und Wohnungsgröße bemisst. Ein solches Flächen-Modell wäre einfach zu ermitteln und für Bürger und Verwaltung nachvollziehbar.

Vor allem ist ein Erhöhungs-Automatismus bei einem wertunabhängigen Modell ausgeschlossen. Will eine Kommune, dass ihr Grundsteuer-Aufkommen steigt, muss sie den Hebesatz erhöhen. Hebesatzerhöhungen setzen eine politische Diskussion und Transparenz voraus. Beides hat dämpfende Wirkung zugunsten der Bürger.

BdSt-Fazit:

Der Bundesfinanzminister stellt zwei Reformvorschläge vor – und favorisiert prompt den falschen. Scholz‘ Lieblingsidee wäre für die Steuerzahler teuer und für die Verwaltung kompliziert. Eine Steuer, deren Erhebungskosten so hoch sind, dass ihr Aufkommen Großteils aufgezehrt wird, braucht aber niemand. Die Kommunen nicht und auch nicht die Bürger.

Dabei liegt eine einfache und gerechte Idee vor: Das wertunabhängige Flächenmodell hat den Charme, dass jeder die Grundsteuerberechnung nachvollziehen kann und ein Erhöhungs-Automatismus umgangen wird. Das Flächenmodell sollte das Modell erster Wahl sein!

Für Mitglieder steht das BdSt-Info 2/2019 „Grundsteuer – Überblick über die Reform-Modelle“ im Mitgliederbereich zur Verfügung.

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