22.11.2022

Kommunaler Finanzausgleich wird reformiert

Bürgern und Betrieben drohen höhere Realsteuern

Am kommenden Donnerstag wird der Landtag voraussichtlich den neuen Kommunalen Finanzausgleich beschließen. Fraglich ist, ob die Regelungen die Kommunen tatsächlich finanziell ausreichend ausstatten. Aus Steuerzahlersicht könnte die Reform teuer werden, weil die Kommunen dazu motiviert werden, ihre Realsteuern zu erhöhen.

Seit 2007 ist der Kommunale Finanzausgleich (KFA) in Rheinland-Pfalz verfassungswidrig. Das hatte der Verfassungsgerichtshof in mehreren Verfahren festgestellt. Die zwischenzeitlich durchgeführte Reform hatte am Endergebnis nichts geändert. Am kommenden Donnerstag stimmt der Landtag über eine Novelle des dem KFA zugrundeliegenden Landesfinanzausgleichsgesetz (LFAG) ab. Doch das Gesetz könnte mitunter teure Folgen für die Bürger und Betriebe haben.

Über die sogenannten Nivellierungssätze bestimmt das Land ein normiertes Realsteueraufkommen für jede Kommune. Nicht die tatsächlichen Einnahmen aus Grundsteuern A und B sowie der Gewerbesteuer werden im KFA berücksichtigt, sondern die sich ergebenden Einnahmen, wenn die Stadt oder Gemeinde genau die Nivellierungssätze erheben würde. Nach einer BdSt-Berechnung erheben derzeit stolze 94 Prozent der Gemeinden einen Satz auf die Grundsteuer B, der niedriger ist als der künftig angedachte Satz von 465 Prozent – bisher sind es mit 365 Prozent deutlich weniger.

Der Nivellierungssatz auf die Gewerbesteuer soll um 15 Prozentpunkte auf 380 Prozent steigen, der auf die Grundsteuer A und 45 Punkte auf 345 Prozent. Zwar werden die Kommunen mit niedrigeren Hebesätzen nicht gezwungen, ihre Steuersätze anzupassen. Aber die Städte und Gemeinden würden dringend benötigte KFA-Einnahmen verlieren, wenn sie ihre Steuersätze unter den Nivellierungssätzen halten. Viele Gemeinden können sich das nicht leisten. Immerhin geht das Land von einem Mehreinnahmepotential in Höhe von rund 275 Mio. Euro aus – Geld, das Bürger und Betrieben an Steuern mehr zahlen sollen.

Ist die Mindestfinanzausstattung ausreichend?

Zumal fraglich ist, ob die finanzielle Mindestausstattung ausreichend hoch ist. Das Land gibt den Kommunen im vertikalen Teil des KFA Landesmittel, damit die Kommunen ihre Aufgaben wahrnehmen können, soweit sie nicht etwa durch Gebühren oder Beiträge finanziert werden. Ob die Mindestfinanzausstattung ausreichend ist, ist fraglich.

Der Verfassungsgerichtshof hat dem Land aufgetragen, den KFA nach dem finanziellen Bedarf der Kommunen auszurichten. Eine bloße Fortschreibung, wie es bisher der Fall, darf es nicht mehr geben. Deshalb wird das Land der finanzielle Mindestbedarf der Kreise, Städte und Gemeinden auf statistischen Daten basieren, nämlich Ist-Werte für bestimmte Einnahmen und Ausgaben in den zurückliegenden Jahren.

Diese Rechenweise berücksichtigt nicht die Inflation des jeweils laufenden Jahres, so dass die Gefahr besteht, dass die inflationsbereinigten Bedarfe zu niedrig liegen. Auch der Investitions- und Sanierungsstau geht nicht in den Bedarf ein. Allein auf kommunale Straßen und Brücken schätzt der Landesrechnungshof den Investitionsstau auf 2,5 Mrd. Euro. Weil die Kommunen, nicht zuletzt wegen der jahrelangen Unterfinanzierung durch das Land, in der Vergangenheit zu wenig investierten, wird der künftige Bedarf niedriger geschätzt. Tatsächlich müsste er höher liegen, denn die betroffene Infrastruktur wie Schulen und Straßen wird benötigt.

Weitere Schwächen des neuen KFA

Darüber hinaus hat der neue KFA weitere Schwächen. So wird das Konnexitätsprinzip zumindest punktuell nicht angewendet, indem den Kommunen übertragene Aufgaben nicht in den Mindestbedarf eingerechnet werden. Ein Beispiel dafür ist die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes, über das Kommunen verpflichtet sind, Verwaltungsleistungen über das Internet anzubieten. Fraglos ist es für eine moderne Verwaltung geboten, dass die Bürger nicht mehr für jeden Antrag bei einer Behörde vorsprechen müssen. Weil es den Kommunen Geld kostet, auf digitale Verwaltung umzustellen, sollten die damit verbundenen Kosten als Finanzbedarf grundsätzlich anerkannt werden.

Kaum zu prognostizieren, ist der horizontale Teil des KFA. Horizontal bedeutet, dass auf Mittel auf derselben Ebene umverteilt werden: von Kommune zu Kommune. Wegen stark schwankender Steuereinnahmen vor allem bei der Gewerbesteuer ist weder die Höhe des kommunalen Teils noch Geber- und Nehmerkommunen vorhersehbar. Das Land rechnet regelmäßig mit rund 130 Mio. Euro, aber für 2023 mit 240 Mio. Euro, weil es hohe Gewerbesteuereinnahmen in Mainz und Idar-Oberstein erwartet, wo der Impfstoffhersteller Biontech sitzt.

Schließlich kritisiert unter anderem der Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz (GStB), dass der Symmetrieansatz „beliebig“ sei. Über den Symmetrieansatz sollen Einnahmen und Ausgaben von Land und Kommunen verglichen werden. Alle drei Jahre soll ein vom Land beauftragtes Gutachten ergeben, ob zulasten des Landes oder zulasten der Kommunen die Symmetrie zwischen Einnahmen und Ausgaben gewahrt ist. Falls nicht, sollen dem KFA Mittel entzogen oder hinzugefügt werden. Laut GStB werden dem KFA durch den Symmetrieansatz bereits im Jahr 2023 rund 74 Mio. Euro entzogen.

BdSt-Fazit:

Jahrelang steckte das Land zu wenig Mittel in den KFA. In der Folge waren die Kommunen unterfinanziert und mussten sich teils hoch verschulden. Ob der neue KFA mit die chronische Unterfinanzierung der Städte, Gemeinden und Kreise tatsächlich beendet, steht noch in den Sternen. Vermutlich wird das reformierte LFAG irgendwann vor dem Verfassungsgerichtshof verhandelt werden – das Gesetz hat, zumindest für die Kommunen, einfach zu viele Schwächen.

Für die Bürger und Betriebe ist das aber nur ein schwacher Trost. Durch die KFA-Reform drohen innerhalb von spätestens zwei, drei Jahren flächendeckende Realsteuererhöhungen. Vor allem bezüglich der Grundsteuer B erscheint die Entwicklung fatal: Versprach die Politik doch eine aufkommensneutrale Grundsteuerreform. Die künftig hohen Nivellierungssätze, die das Land vorgibt, brechen vielerorts das politische Versprechen.

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