02.09.2022

Verzögerter Einzug ins Familienheim

BFH-Urteil: Erbschaftsteuerbefreiung dennoch möglich

Ziehen die Kinder nach dem Tod ihrer Eltern in deren Haus, kann die Immobilie von der Erbschaftsteuer befreit sein. Dies gilt bei einem schnellen Umzug ins Familienheim. Ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs weitet die bisherige Regelung zeitlich aus. Auf den Einzelfall und dessen Umstände kommt es an.

Eine Frau zog mit ihrem Ehemann nach rund eineinhalb Jahren in eine Wohnung ihres geerbten Elternhauses, in der die Mutter bis zu ihrem Tod lebte. Zunächst machte sie aufgrund niedrigerer Erbschaftsteuer keine Steuerbefreiung auf das Zweifamilienhaus geltend. Erst als ein deutlich höherer Bescheid eintraf, beanspruchte sie die Vergünstigung. Sie begründete diese damit, dass bereits zum Todeszeitpunkt der Erblasserin feststand, dass sie mit ihrem Ehemann in die Wohnung ihrer Mutter einziehen werde.

Allerdings kam es zu Verzögerungen. Ortsbesichtigungen mit Handwerkern mehrerer Gewerke verzögerten sich mehrfach, Kostenvoranschläge oder Angebote konnte sie nicht zeitnah einholen. Die Betriebe waren gut ausgelastet, so dass es auch bei der Auftragsvergabe und -abwicklung zu Verzögerungen kam. Zudem konnte die Frau krankheitsbedingt über mehrere Wochen keine Ortstermine wahrnehmen und auch nicht die Wohnung entrümpeln.

Das Finanzamt wollte der Erbin keine Befreiung von der Erbschaftsteuer für das Familienheim gewähren, da der Einzug nicht unverzüglich stattfand. Dagegen klagte die Frau zunächst vor dem Finanzgericht Düsseldorf, das zunächst der Behörde recht gab. Hingegen war die Revision vor dem Bundesfinanzhof (BFH) dahingehend erfolgreich, dass sich das Finanzgericht erneut mit dem Fall beschäftigten muss (BFH-Urteil vom 16. März 2022, Az.: II R 6/21).

Frist von sechs Monaten kann überschritten werden

So führte der BFH aus, dass der Erwerber die Wohnung unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern, selbst beziehen muss. Unverzüglich erfolgt eine Handlung nur, wenn sie innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenden Prüfungs- und Überlegungszeit vorgenommen wird. Will ein Erbe ein Familienheim erbschaftsteuerfrei erlangen, muss er innerhalb einer angemessenen Zeit beabsichtigen, die Immobilie zu beziehen und die Absicht umsetzen. Als angemessen gilt regelmäßig ein Zeitraum von sechs Monaten nach dem Erbfall.

Wird die Selbstnutzung der Wohnung erst nach Ablauf von sechs Monaten aufgenommen, kann ebenfalls eine unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung vorliegen, führt der BFH aus. Allerdings muss der Erwerber in diesem Fall darlegen und glaubhaft machen, zu welchem Zeitpunkt er sich zur Selbstnutzung der Wohnung für eigene Wohnzwecke entschlossen hat, aus welchen Gründen ein tatsächlicher Einzug in die Wohnung nicht früher möglich war und warum er diese Gründe nicht zu vertreten hat.

Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an. So sind Renovierungsarbeiten zeitlich so zu fördern, dass es nicht zu unangemessenen Verzögerungen kommt. Dazu muss der Erwerber alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergreifen. Nicht anzulasten ist dem Erwerber, wenn er Arbeiten unverzüglich in Auftrag gibt, aber die beauftragten Handwerker aus Gründen, die der Erwerber nicht zu vertreten hat, die Arbeiten nicht rechtzeitig ausführen können.

Letztlich hat der BFH den Fall nicht abschließend entschieden, sondern an die Vorinstanz zurückgewiesen. Bei verzögertem Einzug sollte der Erbe also dokumentieren, wann er den Entschluss zur Selbstnutzung gefasst hat und aus welchen Gründen ein Einzug nicht früher möglich war.

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