08.07.2022

Ist die Abgeltungsteuer verfassungswidrig?

Bundesverfassungsgericht muss entscheiden

Das Finanzgericht Niedersachsen hält die Vorschriften über die Abgeltungsteuer des Einkommensteuergesetzes mit dem Gleichsatz des Grundgesetzes für nicht vereinbar. Nun liegt ein Normenkontrollverfahren dem Bundesverfassungsgericht vor. Kippt die Abgeltungsteuer? 

Die Abgeltungsteuer gibt es seit dem 1. Januar 2009. Mit ihr werden Einkünfte aus Kapitalvermögen, z. B. Zinsen, Dividenden und realisierte Kursgewinne mit einem Einkommensteuersatz von 25 Prozent versteuert, falls Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer gezahlt werden müssen, kommen diese dazu. „Liegt der persönliche Einkommensteuersatz unter 25 Prozent, kann die zu viel gezahlte Abgeltungsteuer vom Finanzamt zurückfordert werden‘‘, informiert Daniela Karbe-Geßler vom Bund der Steuerzahler.

Das Finanzgericht Niedersachsen wies in einem konkreten Fall (Az. 7 K 120/21) darauf hin, dass die Anwendung der Abgeltungsteuer gegen die im Grundgesetz verankerte Vorgabe der Gleichbehandlung aller Einkunftsarten und einer gleichmäßigen Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit verstoße und daher verfassungswidrig sei. Die Abgeltungsteuer, so das Finanzgericht, führe zu einer Ungleichbehandlung zwischen Beziehern privater Kapitaleinkünfte und den übrigen Steuerzahlern. Während die Bezieher von Kapitaleinkünften mit einem Sondersteuersatz von 25 Prozent abgeltend belastet werden, unterliegen die übrigen Steuerzahler einem Steuersatz von bis zu 45 Prozent. Die in den Gesetzesmaterialien genannten Rechtfertigungsgründe genügen den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Weitere Rechtfertigungsgründe seien nicht ersichtlich. Die Abgeltungsteuer sei weder zur Standortförderung des deutschen Finanzplatzes geeignet noch führe sie zu einer wesentlichen Vereinfachung im Besteuerungsverfahren.

Geschaffen wurde die Abgeltungsteuer, um Deutschland als Finanzplatz attraktiver zu machen und Steuerhinterziehung zu bekämpfen. Es existierten damals keine Möglichkeiten, um die Besteuerung von Kapitaleinkünften, die in Deutschland Steuerpflichtige im Ausland erzielten, sicherzustellen. Die Verminderung des Steuersatzes auf 25 Prozent sollte den Anlegern einen Anreiz geben, ihr Geld in Deutschland anzulegen und zu versteuern. Jedoch haben sich seit dem Inkrafttreten der Abgeltungsteuer die Möglichkeiten der Finanzverwaltung, im Ausland befindliches Vermögen zu ermitteln, stark verbessert. Das Finanzgericht Niedersachsen ist daher der Auffassung, dass das Instrument der Abgeltungsteuer heute nicht mehr erforderlich ist, und hat in diesem Zuge dem Bundesverfassungsgericht die Vorschriften zur Prüfung vorgelegt. Das Normenkontrollverfahren vor dem BVerfG trägt das Aktenzeichen 2 BvL 6/22.

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Foto: Fotolia/Stockwerk-Fotodesign

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