20.05.2022

Reden halten ist keine Kunst

Voller Mehrwertsteuersatz auf Trauer- und Hochzeitsreden

Rhetorik ist die Kunst der Rede. Was die alten Römer und Griechen bereits wussten, erkennt das Finanzamt nicht an. Reden zu formulieren und zu halten, sei keine Kunst, weswegen der ermäßigte Umsatzsteuersatz nicht gelte. Trauerreden und Hochzeitsreden unterliegen daher dem vollen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent, so die gängige Rechtsprechung.

Nach ihrem theologischen und philosophischen Studium meldete eine Trauerrednerin und Gestalterin von Hochzeits- und Geburtsfeiern eine selbstständige Tätigkeit an. Sie bot Trauerreden an, Gestaltung von Hochzeiten sowie von Begrüßungsfeiern für Neugeborene. Sie verfasste auch Bücher über Trauerreden und die Trauersprache. Für ihre Umsätze aus Trauer- und Hochzeitsreden machte die Selbständige in ihrer Steuererklärung 2017 den ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 Prozent geltend. Sie begründet, dass es sich bei ihren Reden um kreativ ausgestaltete individuelle Botschaften handele, in denen sie nach persönlichen Gesprächen auf die persönlichen Umstände und Bedürfnisse eingehe. Ihre Redemanuskripte garniere sie außerdem mit eigenen Gedanken und sogar eigenen Gedichten. Sie sehe sich daher bei ihren Trauer- oder Hochzeitsreden als ,,ausübende Künstlerin“ und unterliege daher dem ermäßigten Steuersatz.

Das Finanzgericht Baden-Württemberg entschied in dem vom 07.02.2022 veröffentlichten Urteil (Az.: 14 K 982/20), dass die Umsätze einer Trauer- und Hochzeitsrednerin nicht ermäßigt zu besteuern sind, da die Rednerin weder Umsätze aus Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten nach dem Urheberrechtsgesetz noch aus Eintrittsberechtigungen für Theater, Konzerte, Museen oder vergleichbaren Darbietungen erzielt. Zweck der eng auszulegenden Steuerbefreiung für ausübende Künstler sei, Preiserhöhungen kultureller Veranstaltungen zu vermeiden. Es komme bei Reden daher auf die Darbietung an und nicht darauf, ob es sich um einen kunstvollen Text handele. Die Reden seien schablonenartige Wiederholungen anhand eines Redegerüsts und ähnlich aufgebaut. Bereits im Dezember 2015 hatte der Bundesfinanzhof geurteilt, dass für „schablonenartige Redetätigkeiten“ eines Hochzeits- und Trauerredners kein ermäßigter Umsatzsteuersatz verlangt werden kann (Az.: V R 61/14).

Ob das Gericht für die abgewiesene Steuerzahlerin tröstende Worte fand, ist nicht überliefert.

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