28.04.2022

Fünf Probleme der Bodenrichtwerte

BdSt kritisiert den wichtigsten Wert der Grundsteuerreform

Das Reformmodell für die neue Grundsteuer ist komplex. Jedoch sticht ein Faktor besonders hervor: Für die Höhe der Grundsteuer ist der Bodenrichtwert relevant. Aber dieser Wert ist für die Grundsteuer als sehr kritisch anzusehen.

In Rheinland-Pfalz wird die Grundsteuer durch das Bundesmodell reformiert. Ein zentraler Parameter dieses Reformmodells ist der Bodenrichtwert. Er soll anzeigen, was ein Quadratmeter Grund und Boden durchschnittlich wert ist, wenn er unbebaut wäre. Bodenrichtwerte werden in der Regel aus Verkaufspreisen von Immobilien abgeleitet. Dazu legen sog. Gutachterausschüsse Kaufpreissammlungen an. In Regionen mit geringen Eigentümerwechseln durch Verkauf/Kauf müssen sie für die Grundsteuerreform mitunter durch Vergleiche mit benachbarten Orten geschätzt werden.

Zur Bestimmung der Bodenrichtwerte fragt der Gutachterausschuss meistens den Immobilienkäufer über verschiedene wertbeeinflussende Faktoren der Immobilie. Dazu zählen beispielsweise, ob zwischen Käufer und Verkäufer ein Verwandtschaftsverhältnis besteht und die Größe von Gebäude und Grundstück sowie der Ausstattung des Gebäudes. Es kann durchaus so detailliert sein, dass bei Wohnimmobilien die Anzahl der Badezimmer abgefragt wird und ob diese bis zur Decke gefliest sind; ob ein hochwertiger Bodenbelag wie Parkett oder Marmor verlegt ist und welcher Sanierungsbedarf besteht.

Die Fragebögen der Gutachterausschüsse sind nicht standardisiert. So kann der für Stadt A zuständige Ausschuss andere Werte abfragen als der für Stadt B, noch größere Unterschiede bestehen zwischen den Bundesländern. Letztlich geht es den Gutachterausschüssen darum, mittels statistischer Methoden aus den Daten einen Durchschnittswert für einen Quadratmeter Boden abzuleiten.

Bodenrichtwerten liegen mehrere Probleme inne, durch die sie ungeeignet sind, zur steuerlichen Bewertung herangezogen werden. Dennoch wird es für die Grundsteuerreform getan.

Problem 1: Kein individueller Wert

Grundstücke werden in sogenannte Richtwertzonen zusammengefasst. Innerhalb dieser Zonen sollen der Theorie nach einheitliche Wertverhältnisse herrschen. Das gelingt meistens nicht. So liegt es in der Natur der Bodenrichtwerte als Durchschnittswert, dass individuelle wertbeeinflussende Charakteristika eines Grundstücks nicht durch die Bodenrichtwerte abgebildet werden (z. B. Lage an einer vielbefahrenen Straße, während das Nachbargrundstück im Hinterland weitaus ruhiger ist). Dies ist insofern kein Fehler, da dieser mit Zu- und Abschlägen geheilt werden könnte. Dem kommt das Bundesmodell aber nicht nach.

Problem 2: Extreme Unterschiede in der Nachbarschaft

Ein ähnliches Problem tritt vor allem in dichtbebauten Lagen wie Innenstädten auf. Nebeneinanderliegende Richtwertzonen können völlig unterschiedliche Bodenrichtwerte aufweisen. Zwar sollen für die Grundsteuer neue Zonen gebildet werden, durch die das Problem geschmälert werden soll. Ob dies tatsächlich gelingt, ist aber fraglich. Größere Zonen sind in sich noch unterschiedlicher als kleine.

Problem 3: Ungleiche Aktualität

Vor allem in Stadtvierteln, in denen viele Immobilien gehandelt werden, schlagen sich die stark gestiegenen Kaufpreise in den Bodenrichtwerten nieder – mit der Folge, dass in ruhigen Villengegenden, in denen Häuser vergleichsweise selten verkauft werden, die Bodenrichtwerte auf deutlich älteren (und damit niedrigeren) Kaufpreisen beruhen als in Hochhausvierteln mit vielen Etagenwohnungen, die häufiger den Eigentümer wechseln. Sozial gerecht oder fundiert ist das nicht.

Problem 4: Bebaubarkeit ist ein Preistreiber

Ein weiteres Phänomen führt dazu, dass Bodenrichtwerte in dicht bebaubaren Vierteln höher liegen als in Gegenden mit Einfamilienhäusern. Für Investoren ist ein Grundstück umso wertvoller, je mehr Wohneinheiten auf ihm errichtet werden dürfen. Bei ansonsten gleicher Lage hat ein Grundstück, auf dem ein Mehrfamilienhaus errichtet werden darf, einen höheren Bodenrichtwert als wenn nur ein freistehendes Einfamilienhaus gebaut werden dürfte – obwohl der Wohnwert im Mehrfamilienhaus regelmäßig niedriger sein dürfte als im Einfamilienhaus.

Problem 5: Steuererhöhungs-Mechanismus

Mit den steigenden Immobilienpreisen der vergangenen Jahre steigen auch die Bodenrichtwerte. Steigen die Bodenrichtwerte, steigt letztlich auch die Grundsteuer. Spätestens bei der nächsten Hauptfeststellung ist dies der Fall. Allerdings muss der Grundsteuerwert bereits dann fortgeschrieben werden, wenn er um 15.000 Euro vom zuletzt festgestellten Wert abweicht. Aufgrund der Berechnungsmethode im Bundesmodell ist bspw. für ein 300 m² großes Grundstück bereits bei einen um nur 50 Euro höheren Bodenrichtwert eine Fortschreibung möglich – mit der Folge, dass die Grundsteuer steigt.

Nur bayerisches Modell kommt ohne Bodenrichtwert aus

Nicht nur im Bundesmodell ist der Bodenrichtwert ein ganz zentraler Faktor, um den Grundsteuerwert zu bestimmen. Auch in den landesspezifischen Modellen von Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen und Niedersachsen bestimmt er die zu zahlende Grundsteuer wesentlich. Beim baden-württembergischen Bundesmodell werden nur die Grundstücksfläche und der Bodenrichtwert in die Bewertung einbezogen. In diesem Bodenwertmodell bezeichneten Bewertungsverfahren treten die fünf Probleme noch stärker zutage als im Bundesmodell.

Vorbildlich ist hingegen Bayern. Das einfache Flächenmodell, das im Freistaat umgesetzt wird, ist völlig wertunabhängig. Daher spielen dort die Bodenrichtwerte gar keine Rolle für die Grundsteuer.

BdSt-Fazit:

Als „sozial gerecht“ hat die Politik das Bundesmodell zur Grundsteuerreform beworben. Mit der wichtigste Wert dieses Modells ist der Bodenrichtwert. Besonders durch diesen ist das Reformmodell sozial ungerecht, weil der Bodenrichtwert in sozial schwächeren Stadtvierteln höher sein kann als in Villengegenden. Zudem drohen durch den Bodenrichtwert regelmäßige Steuererhöhungen, ohne dass der Stadt- oder Gemeinderat den Hebesatz ändert. Dies stellt ein Demokratiedefizit dar.

In Sonntagsreden betonen Politiker gerne, wie wichtig bezahlbares Wohnen ist. Allerdings trägt die Grundsteuerreform trägt nicht dazu bei, dass Wohnen bezahlbarer wird. Im Gegenteil: Für viele Eigentümer und Mieter wird die Grundsteuer durch die Reform steigen – schuld daran ist unter anderem der Bodenrichtwert.

Beispiele für „sozial ungerechte“ Bodenrichtwerte

Dass die Bodenrichtwerte kein hinreichender „Lagefaktor“ sind, durch den eine Villa teurer wird als eine Hochhauswohnung, zeigen folgende Beispiele auf. Objektiv bessere Wohngegenden können einen niedrigeren Bodenrichtwert aufweisen als Gegenden, die als schlechter gelten können. Um eine sinnvolle Vergleichbarkeit zu schaffen, sind die Beispiele entweder aus derselben Straße oder die Wohnungen sind in der Nachbarschaft, so dass sie fußläufig in wenigen Minuten zu erreichen sind.

Quellen: BORIS Rheinland-Pfalz bzw. für Frankfurt am Main BORIS Hessen, abgerufen am 28.04.2022.

Trier, Stadtteil Kürenz:

Hochhäuser aus 1970er Jahre, Am Weidengraben: 420 Euro/m² BRW
Einfamilienhäuser und Reihenhäuser, Am Weidengraben: 295 Euro/m² BRW
Noble Einfamilienhäuser und Reihenhäuser aus Mitte bis Ende 2000er Jahre (Petrisberg, ehemaliges Gelände der Landesgartenschau 2004), Kuno-Stapel-Straße: 380 Euro/m² BRW

Mainz, Stadtteil Gonsenheim:

Hochhäuser aus 1970er Jahre, Elsa-Brandström-Straße: 815 Euro/m² BRW
Ein- und Zweifamilienhäuser, kleine Mehrparteienhäuser, Engelstraße: 725 Euro/m² BRW

Mainz, Stadtteil Weisenau:

Siedlungshäuser mit Etagenwohnungen, Bleichstraße und Laubenheimer Straße: 920 Euro/m² BRW
Doppelhäuser und Reihenhäuser, Im Hasenstock: 660 Euro/m² BRW

Frankenthal (Pfalz), Kernstadt:

Siedlungshäuser mit Etagenwohnung, Albrecht-Dürer-Ring: 460 Euro/m² BRW
Einfamilienhäuser, Albrecht-Dürer-Ring: 430 Euro/m² BRW
Reihenhäuser, Doppelhäuser, Samuel-Heinicke-Straße: 370 Euro/m² BRW

Frankfurt am Main, Stadtteil Sachsenhausen:

Hochhäuser mit Etagenwohnungen, Mittlerer Hasenpfad: 5.200 Euro/m² BRW
Nobelviertel Lerchesberg, Nansenring: 1.200 Euro/m² BRW

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