21.11.2017

Sanierung oder Umzug?

Bürgerentscheid zum Rathaus

Soll das Mainzer Rathaus saniert werden oder nicht? Die Antwort auf diese Frage will Oberbürgermeister Michael Ebling den Bürgern überlassen. Laut Untersuchung würde die Sanierung mindestens 60 Mio. Euro kosten. Als mögliche Alternative dazu wird der Umzug des Rathauses in ein Bankengebäude in der Innenstadt vorgeschlagen. Ein Rathaus-Neubau an anderer Stelle wird wiederum völlig verworfen. Doch reicht die Informationslage für eine fundierte Entscheidung?

Wenn es um das Mainzer Rathaus geht, dann scheiden sich die Geister. Die einen sehen in dem 1973 eingeweihten Gebäude einen hässlichen Schandfleck, die anderen ein wegweisendes Kulturdenkmal. Doch eines ist unbestritten: Der Arne-Jacobsen-Bau ist völlig marode. Zudem bestehen erhebliche technische und energetische Mängel. Ohne umfangreiche Sanierungsarbeiten ist eine weitere Nutzung durch die Stadt mittelfristig nicht möglich. Doch die politische Diskussion über den Sanierungsumfang und über die theoretischen Alternativen dauert schon Jahre.

Im Jahr 2015 beschloss der Stadtrat einen Generalplaner zu beauftragen, der eine umfassende Entscheidungsgrundlage für die Rathaussanierung erarbeiten sollte. Als Budget wurden 50 Mio. Euro angesetzt. Im Juni 2016 wurde der Auftrag an das Generalplanerbüro agn Niederberghaus & Partner GmbH vergeben. Zunächst erstellten die Generalplaner im Rahmen einer ersten Grundlagenermittlung verschiedene Untersuchungen und Gutachten, speziell zu den Themen Schadstoffbelastung, bautechnische Schadensfeststellung, Brandschutz und zur Fassade. Dabei wurde eine höhere Schadstoffbelastung als ursprünglich angenommen festgestellt. Außerdem wurde deutlich, dass eine wesentlich umfangreichere Fassadensanierung notwendig ist, etwa am Gitterwerk und an der Natursteinfassade. Im zweiten Schritt erarbeiteten die Generalplaner verschiedene Entwurfsplanungen für den Arne-Jacobsen-Bau.

Drei Varianten zur Rathaussanierung

Mitte November 2017 wurden die  Ergebnisse der Generalplanungen vorgestellt. Diese sehen drei verschiedene Varianten vor:

Die erste Variante ist eine Bestandssanierung ohne wesentliche räumliche Änderungen. Sie beinhaltet Maßnahmen, die in allen Varianten identisch sind, wie z.B. die Erneuerung der Fassade, der Austausch der Haustechnik, die Schadstoff- und Betonsanierung, die Umsetzung der Brandschutzkonzepts sowie die Sanierung der Dachfläche. Außerdem soll das Rathaus um ein „Bürgerdach“ ergänzt werden, das Besuchern einen guten Ausblick auf die Landeshauptstadt und den Rhein bieten soll.

In der zweiten Variante geht es um eine sog. Vorzugssanierung. Hierbei werden zusätzliche Maßnahmen umgesetzt, wie z.B. die Errichtung einer neuen Arbeitswelt mit Einrichtung von „Multi-Space-Zonen“, der Umzug der Kantine, die Öffnung des Rathauses zur Rheinseite, die Errichtung eines zweistöckigen Foyers mit Zentralisierung der Dienstleistungen für die Bürger sowie die Herstellung eines Treppenhauses mit Aufzug zur barrierefreien Anbindung des Rheinufers bis hin zur Zuschauerebene des Ratssaals.

Die dritte Variante nennt sich „Konsenssanierung“. Dabei werden verschiedene Bausteine der Varianten 1 und 2 kombiniert, die im Wesentlichen eine Umsetzung von Multi-Space-Zonen in Teilbereichen und die Beibehaltung der derzeitigen Büros auf den Geschossen sowie eine „kleine Galerie“ im Forum beinhaltet.

Allerdings sprengen alle drei Varianten die alte Budgetvorgabe von 50 Mio. Euro. Große Kostenunterschiede soll es zwischen den Varianten nicht geben – in allen Fällen wird mit etwa 60 Mio. Euro kalkuliert. Die Mehrkosten sollen auch keine nennenswerten (um)planungsbedingte Gründe haben. Alleine aufgrund der gutachtlich festgestellten Belastungen und Schäden für die Schadstoffbeseitigung fallen Mehrkosten von drei Mio. Euro an. Weitere 3,9 Mio. Euro müssen in den Austausch der Natursteinfassade und ca. 3,3 Mio. Euro in die Gitterfassade investiert werden. Außerdem ist unklar, inwieweit Denkmalschutzauflagen sowie eine ggf. schlechtere Bausubstanz und Bauschäden zu weiteren Mehrkosten führen könnten. Dafür erhofft sich Mainz eine großzügige Landesförderung, die 60 Prozent der förderfähigen Kosten umfassen soll.

Die Sanierungsarbeiten würden etwa zwei Jahre lang dauern. In dieser Zeit könnten weder der Stadtrat noch die Verwaltung den Arne-Jacobsen-Bau nutzen. Entsprechend wäre die Anmietung einer Interimslösung mitsamt zweimaligem Umzug notwendig. Welches Objekt dafür in Frage käme und welche bedarfsgerechten Umbauten darin nötig wären, steht derzeit noch nicht fest. Die Zusatzkosten werden grob auf drei Mio. Euro veranschlagt.

Nutzung einer Bankenimmobilie als Alternative

Oberbürgermeister Ebling war auf der Pressekonferenz von den Planungen sichtlich angetan. Doch angesichts der kritischen Diskussion zum Erhalt des Arne-Jacobsen-Gebäudes und der bereits im Stadtrat diskutierten Aufgabe des Gebäudes als Rathaus, stellte Ebling auch eine Alternative vor. So könnte das Rathaus an einen anderen Standort verlagert werden, der  von der Stadt angemietet oder angekauft werden würde. Eine konkrete Alternative wäre der dauerhafte Umzug in eine Büroimmobilie in der Großen Bleiche 46. Hierbei handelt es sich um die ehemaligen Flächen der Westdeutschen Immobilienbank und Teilflächen der Landesbank Baden-Württemberg.

Die Stadt Mainz könnte einen Großteil des Bankengebäudes entweder für rund 20 Mio. Euro kaufen oder für jährlich 1,2 Mio. Euro anmieten. Dazu würden noch die derzeit unbekannten Kosten für einen bedarfsgerechten Umbau kommen. Allerdings würden diese Flächen alleine nicht den vollständigen Bedarf abdecken. Der Gesamtbedarf im Rathaus liegt bei etwa 13.300 qm, davon bietet die Bankenimmobilie nur rund 6.000 qm. Alleine für den notwendigen Gesamtflächenbedarf der Verwaltung müssten zusätzliche 93 Büros angemietet werden, die ca. 500.000 Euro an jährlicher Miete zuzüglich Nebenkosten an finanziellem Aufwand bedeuten würden.

Echtes Interesse scheint die Stadtspitze an dieser Alternative aber nicht zu haben. Vorteile für diese Lösung wurden keine genannt – dafür aber viele Nachteile. So würde die mangelnde Fläche dazu führen, dass die Verwaltung neben der Zitadelle, dem Stadthaus und den Bonifaziustürmen auf weitere Standorte aufgeteilt werden müsse. Das wiederum würde die verwaltungsinternen Abläufe und Abstimmungswege weiter erschweren. Natürlich gibt es in den Bankenräumen auch keinen Ratssaal und keine Sitzungsräume. Diese müssten dann ebenfalls an einen anderen Standort verlegt werden. Kurzzeitig sei zwar eine Nutzung des provisorischen Plenarsaales des Landtages im Landesmuseum denkbar, aber ob dies auch dauerhaft möglich wäre, sei ungewiss. Öffentliche Veranstaltungen von Vereinen und Bürgerinitiativen oder Ausstellungen wären in dem Bankengebäude aufgrund mangelnder Räume gleichfalls kaum möglich. Hier müsste auf andere Flächen, z.B. in den sanierten Bürgerhäusern oder im Kurfürstlichen Schloss ausgewichen werden. Außerdem würde sich generell die Parkplatz-Situation verschlechtern. Die Anzahl der verfügbaren Stellplätze würde sich wohl von 200 auf 50 reduzieren.

Verkauf des Arne-Jacobsen-Baus?

Natürlich stellt sich bei dem Umzug des Rathauses in das Bankengebäude weiterhin die Frage nach der Zukunft des Arne-Jacobsen-Baus. Die Stadtspitze würde die Immobilie dann im Rahmen eines Interessenbekundungsverfahrens verkaufen wollen, beurteilt die Chancen dafür aber sehr skeptisch. Wer kauft schon gerne ein denkmalgeschütztes Verwaltungsgebäude mit großem Sanierungsstau? Andererseits fanden sich selbst für den Nürburgring sowie die Flughäfen Hahn und Zweibrücken Käufer. Dennoch fehlt der Stadt für den Fall des Nichtverkaufs ein Plan B.

Den mehrfach diskutierten Neubau des Rathauses an anderer Stelle betrachten weder der Oberbürgermeister noch die Generalplaner als echte Alternative. So habe eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung ergeben, dass die Sanierung des Bestandsgebäudes im Vergleich zu einem Neubau die wirtschaftlichere Alternative sei. Die Kosten für den Neubau wurden – ohne Grundstück – auf etwa 75 Mio. Euro geschätzt. Detaillierte Untersuchungen und Planungen gab es nicht. Und wo ein neues Rathaus errichtet werden könnte, ist offen geblieben.

Nach Ansicht von Oberbürgermeister Ebling ist die Frage zur Zukunft des Rathauses zu bedeutend und die Kosten viel zu hoch, als dass sie nur vom Stadtrat mit einfacher Mehrheit geklärt werden könnten. Stattdessen wünscht sich Ebling eine breite Zustimmung des Rates, aber auch die der Bürger. Deshalb hat er dem Stadtrat empfohlen, einen Bürgerentscheid über die Sanierung des Rathauses zu initiieren. Theoretisch könnte dieser bereits in der ersten Jahreshälfte 2018 vorgenommen werden. Dann wäre es bei Zustimmung wohl möglich, den Arne-Jacobsen-Bau zwischen 2020 und 2022 zu sanieren. Der Oberbürgermeister mahnte hierbei, dass weitere Projektverzögerungen durch lange Diskussionen nur zu Kostensteigerungen führen würden.

BdSt-Fazit:

Den Bürgern die Entscheidung zur Zukunft des Rathauses zu überlassen, ist vom Grundsatz her richtig. Doch wer die Bürger zu den Urnen rufen will, sollte auch echte Alternativen anbieten – und die gibt es derzeit nicht.

Die Stadtspitze und die Ampel-Koalition im Stadtrat wollen die Sanierung – das ist kein Geheimnis. Nun liegen hierzu detailliertere Planungen und Kostenschätzungen vor als bislang. Die Sanierungs-Lösung soll 60 Mio. Euro plus X kosten. Doch wie groß dieses X wegen der Unwägbarkeiten in Form von Denkmalschutzauflagen, unbekannter Bauschäden und schlechterer Bausubstanz ausfallen wird, steht in den Sternen. Gleichfalls ist die Interims-Lösung für die zweijährige Sanierungszeit völlig unklar. Wenn die Stadt keine ausreichend große Immobilie für einen dauerhaften Umzug finden konnte, stellt sich das Problem bei der Sanierung  genauso.

Der Umzug des Rathauses in die Banken-Immobilie sieht auf den ersten Blick als Alternative nicht schlecht aus. Aber nicht ohne Grund ist in der Pressemitteilung der Stadt dazu kein einziger Vorteil, aber fast zwei Seiten an merklichen Nachteilen zu finden. Und der Umgang mit dem Arne-Jacobsen-Bau im Falle eines Nichtverkaufs ist gleichfalls offen geblieben. So sieht keine „Alternative“ aus, an die die Stadtspitze wirklich glaubt. Vielmehr handelt es sich wohl um eine Schein-Alternative, die die Sanierung besser aussehen lässt.

Noch einfacher hat es sich die Stadt Mainz bei der Alternative „Neubau an anderer Stelle“ gemacht. Eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung kommt bei Annahme eines „hohen Standards“ zu horrenden Kosten von 75 Mio. Euro! Aber ist der Standard des sanierten Arne-Jacobsen-Baus gleichfalls hoch zu nennen? Wohl eher nicht. Bemerkenswert ist ferner die Kalkulation der Parkplätze. Angenommen werden 300 Stellplätze in einer Tiefgarage – heute gibt es im Rathaus nur etwa 160 Stellplätze – die inklusive Bauneben- und Kapitalkosten etwa 12 Mio. Euro kosten. Mengenmäßig fehlt also die Vergleichbarkeit. Und wenn ein Neubau nicht in der Innenstadt errichtet werden kann, braucht es überhaupt keine teure Tiefgarage. Im Lebenszyklus-Vergleich schneidet die Sanierung wiederum nur deswegen besser ab, weil die Abschreibungen beim Neubau natürlich weit höher sind. Doch wenn das ausschlaggebend wäre, müsste die Verwaltung in ein abgeschriebenes altes Gebäude umziehen. Sprich, die Alternative Neubau wurde im Vorfeld kaputt gerechnet, um sich im Detail nicht weiter damit befassen zu müssen.

Welche dieser „Alternativen“ ist also die wirtschaftlichste Lösung für die Landeshauptstadt? Um das zu beantworten, könnten die Mainzer ebenso gut eine Münze werfen oder es vom Flug der Vögel über den Rhein abhängig machen. So jedenfalls wird der geplante Bürgerentscheid zur Farce.

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