14.11.2017

OB Nimmersatt

Politischer Filz auf Kosten der Steuerzahler

Seit Wochen erhitzt der Ruhegehalts-Skandal um den Koblenzer Oberbürgermeister Joachim Hofmann-Göttig die Gemüter. Weil der damalige Staatssekretär wenige Tage vor seinem Amtsantritt als Oberbürgermeister im Jahr 2010 unnötigerweise in den einstweiligen Ruhestand versetzt wurde, erhält er seitdem etwa 1.500 Euro an monatlichem Ruhegehalt vom Land Rheinland-Pfalz – neben seinem OB-Verdienst von über 9.000 Euro! Der Steuerzahlerbund hält das für einen klaren Missbrauch des Beamtengesetzes und fordert eine Reform. Doch die Ampel-Landesregierung stellt sich stur.

Wer wechselt schon gerne seine Stelle, um weniger zu verdienen? Als Kulturstaatssekretär Joachim Hofmann-Göttig vor der Entscheidung stand, für das Amt als Oberbürgermeister von Koblenz zu kandidieren, war ihm sicherlich klar, dass damit ein finanzieller „Abstieg“ von der Besoldungsgruppe B 9 auf B 7 verbunden wäre. Das entspricht einem monatlichen Minus von etwa 1.000 Euro. Doch er kandidierte und gewann die Wahl im September 2009. Die Ernennung zum Oberbürgermeister erfolgte am 30. April 2010. Unter normalen Umständen wäre Hofmann-Göttig damit kraft Gesetz aus dem Landesdienst und ohne Sondervergünstigungen ausgeschieden. Allerdings wurde er am 27. April 2010 – also nur drei Tage vorher – vom damaligen Ministerpräsidenten Kurt Beck als Staatssekretär in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Eine unnötige und teure Entscheidung, deren Tragweite erst Ende 2017 öffentlich wurde.

Aufgrund der Ruhestandsversetzung erhielt und erhält Hofmann-Göttig zusätzlich zu seinen monatlichen OB-Bezügen von über 9.000 Euro noch weitere Bezüge vom Land. Diese werden vom Landesrechnungshof  insgesamt auf über 300.000 Euro beziffert. So waren vom Land für die Monate Mai bis Juli 2010 noch die Bezüge als Staatssekretär von fast 5.000 Euro zu leisten. Für die Zeit von August 2010 bis zum Ende der Amtszeit als Oberbürgermeister im April 2018 kommen Versorgungsbezüge von mehr als 139.000 Euro hinzu. Und anschließend erbringt das Land noch Zahlungen von mindestens 168.000 Euro – unter Anrechnung der von der Stadt Koblenz gewährten Versorgungsbezüge – bis das Ruhegehalt als Staatssekretär erreicht ist.

Die finanziellen Folgen sind also schwerwiegend, aber wie konnte es überhaupt dazu kommen? Was Kurt Beck und Joachim Hofmann-Göttig vor der Koblenzer Oberbürgermeisterwahl abgesprochen haben, wissen natürlich nur sie alleine. Naheliegend ist aber die Annahme, dass die rechtlich überflüssige Ruhestandsversetzung dazu dienen sollte, die Besoldungslücke von Hofmann-Göttigs Ämterwechsel zu kompensieren. Praktischerweise ermöglicht das Beamtengesetz von Rheinland-Pfalz im Wortlaut eine jederzeitige und grundlose Ruhestandsversetzung sog. politischer Beamte, zu denen auch der Staatssekretär gehört. Wie verhielt es sich nun im Fall Hofmann-Göttig? Auf BdSt-Anfrage teilte die Staatskanzlei mit, dass die Ruhestandsversetzung geprüft wurde und rechtmäßig war. Sachliche Gründe dafür nannte die Staatskanzlei selbstredend nicht, sondern verwies darauf, dass laut Gesetz eben keine Gründe notwendig sind. Oder anders gesagt, reine Willkür entscheidet darüber, ob verdiente Parteigenossen als politische Beamte zusätzliches Geld vom Steuerzahler erhalten oder nicht.

Untreue-Anzeigen gegen Kurt Beck und Joachim Hofmann-Göttig

Doch es gibt auch andere Rechtsauffassungen. Renommierte Staatsrechtler wie Prof. Hans Herbert von Arnim und Prof. Ulrich Battis gehen in diesem Fall von einer rechtswidrigen Anwendung des Beamtengesetzes aus. Denn mit Antritt des Amtes als Oberbürgermeister wäre Hofmann-Göttigs Dienstverhältnis als Staatssekretär automatisch erloschen. Er hätte also weder selbst kündigen müssen, noch hätte die Staatskanzlei ihn in den Ruhestand versetzen müssen. Außerdem sei hierfür ein sachlicher Grund nötig, auch wenn im Beamtengesetz des Landes anderes festgelegt sei. Laut Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes dürfe die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand eben nicht nur im Interesse des Beamten erfolgen, sondern verlange als Grund z.B. eine Störung des politischen Vertrauens. Der Landesrechnungshof hatte sogar im Jahr 2013 in einem internen Papier starke Zweifel an der Rechtmäßigkeit geäußert und die Prüfung einer möglichen Korrektur empfohlen. Passiert ist aber bis heute nichts. Insofern ist es nicht überraschend, dass mittlerweile Anzeigen wegen des Verdachts der Untreue gegen Kurt Beck und Joachim Hofmann-Göttig eingereicht wurden.

Auch für die hoch verschuldete Stadt Koblenz wird die Eskapade um ihren scheidenden Oberbürgermeister richtig teuer. Denn obgleich Hofmann-Göttig rund 19 Jahre lang Staatssekretär beim Land Rheinland-Pfalz gewesen ist, muss die Stadt als letzter Dienstherr den Großteil seiner gesamten (erhöhten) Pension zahlen. Und mehr noch – ohne die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand hätte die Stadt laut Landesrechnungshof einen Anspruch auf Erstattung von Versorgungsanteilen in Höhe von rund 700.000 Euro durch das Land gehabt. Aber nach der gegebenen Rechtslage entfällt der Versorgungslastenausgleich zwischen dem früheren und jetzigen Dienstherrn. Zusammengefasst erhält Hofmann-Göttig also etwa 300.000 Euro mehr Geld vom Land, das Land spart wiederum im Ergebnis Versorgungslasten in Höhe von 400.000 Euro zulasten der Stadt Koblenz ein und die Stadt verliert 700.000 Euro an Erstattungen durch das Land.

Zusätzliche Bezüge aus Beirats- und Aufsichtsratsmandaten

Das Feuer der Empörung über die Besoldungspolitik unter führenden Genossen hatte Hofmann-Göttig aber auch dadurch verschärft, dass er vor Offenlegung des Skandals seine zusätzlichen Bezüge verschwieg. Stattdessen erklärte er in der Rhein-Zeitung, dass er durch den Ämterwechsel weniger Geld verdiene. Doch bei der Angabe von Nebeneinkünften aus weiteren Funktionen des Oberbürgermeisters nahm es Hofmann-Göttig ebenfalls nicht ganz so genau. Hierbei geht es um eine ganze Reihe von Beirats- und Aufsichtsratsmandaten, z.B. bei der Energieversorgung Mittelrhein und beim kommunalen Energie- und Wasserdienstleister Thüga. Hierzu ließ Hofmann-Göttig zuerst erklären, dass er solche Vergütungen an die Stadtkasse abführe. Nach Medienberichten hat er aber alleine im Jahr 2015 Nebeneinkünfte von über 90.000 Euro erzielt, von denen er rund 58.000 Euro behalten durfte. Nach Steuern sollen es fast 36.000 Euro gewesen.

Heftige Kritik und Rücktrittsforderungen an Hofmann-Göttig waren nicht nur aus der Öffentlichkeit und von der Opposition zu hören. Selbst ein Teil der eigenen Parteigenossen von der SPD zeigte sich höchst enttäuscht vom Verhalten ihres Spitzenpolitikers. Und was sagt der gescholtene Oberbürgermeister selbst dazu? Er ist sich keiner Schuld bewusst und spricht lieber von „Skandalisierung“ und „Neiddebatte“. An einen Rücktritt denkt er nicht und die Ruhegehälter zurückzuzahlen ohnehin nicht.

In ähnlicher Selbstzufriedenheit ergeht sich die Ampel-Landesregierung. Nach Ansicht des Steuerzahlerbundes muss das Beamtengesetz dringend reformiert werden. Jede Ruhestandsversetzung von politischen Beamten sollte prinzipiell an sachliche Gründe gekoppelt werden. Aber gerade das hat die Ampel abgelehnt. Einerseits erklärte die Staatskanzlei, dass sich ein Pensionsfall wie bei Hofmann-Göttig nicht wiederholen solle – womit sie zumindest einen Anflug von schlechtem Gewissen zeigt. Andererseits soll das Beamtengesetz so bleiben wie es ist – und damit die Möglichkeit zur jederzeitigen und grundlosen Ruhestandsversetzung von politischen Beamten.

BdSt-Fazit:

Das Vertrauen der Bürger in die Politik ist nur langsam zu erarbeiten, kann aber schnell zerstört werden. Und nichts zerstört das Vertrauen schneller als der Eindruck von schamloser Selbstbedienung und politischem Filz. Gewiss, die Frage um die Ruhestandsversetzung ist rechtlich umstritten. Und ja, Alt-Ministerpräsident Kurt Beck hat seinen Nachfolgern viele kostspielige Altlasten hinterlassen. Für diese Vergangenheit können die meisten führenden Ampel-Politiker nichts. Wohl aber trägt die Ampel die politische Verantwortung für diese Legislaturperiode.

Der Fall um den Koblenzer Oberbürgermeister hat deutlich gezeigt, welche Missbrauchsmöglichkeiten das Beamtengesetz von Rheinland-Pfalz bietet. Es kann nicht sein, dass ein Ministerpräsident willkürlich sechsstellige Summen an Steuergeld an treue Parteigenossen verschenken darf – denn  letztlich ist im Fall von Hofmann-Göttig genau das passiert. Doch statt diese gravierende Gesetzeslücke per Reform zu schließen, stellt die Landesregierung nur in Aussicht, sie nicht noch einmal zu missbrauchen. Ein banaler Appell an das Vertrauen? Soll das wirklich alles an Konsequenzen sein? Damit bleibt nur ein Eindruck haften: Etwas politischer Filz auf Kosten der Steuerzahler geht in Rheinland-Pfalz immer.

Foto: Fotolia/vege

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