08.09.2017

Ungerecht und zu hoch

Reform der Grunderwerbsteuer ist überfällig

Glaubwürdigkeit und Vertrauen haben unsere Repräsentanten, wenn sie tun, was sie sagen. Seit Jahrzehnten fordern die Politiker, dass das Wohnen bezahlbar bleiben soll. Abgesehen von der durch die Politik verordneten Verteuerung des Wohnraums durch Energie- und Umweltschutzauflagen erhöht die Entwicklung der Grunderwerbsteuer die Belastungen, insbesondere für junge Familien. Diese Steuer ist in der jetzigen Form und Höhe ein steuerpolitischer Dinosaurier. Den Abgeordneten, denen das Wohl der Wähler am Herzen liegt, ist dringend zu empfehlen, sie abzuschaffen oder sie grundlegend zu ändern.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Das Aufkommen aus der Grunderwerbsteuer hat sich in nur zehn Jahren verdoppelt. Bezogen auf die ganze Bundesrepublik erhöhten sich die Einnahmen von 6,1 Mrd. Euro in 2006 auf 12,4 Mrd. Euro in 2016. In Rheinland-Pfalz liegen die Zahlen bei 230,7 Mio. Euro in 2007 und bei 462,0 Mio. Euro in 2016, auch hier eine Verdoppelung. Lag der Steuersatz im Jahre 2006 noch einheitlich bei 3,5 Prozent, haben 14 Bundesländer seitdem insgesamt 27-mal den Steuersatz erhöht. In der Mehrzahl der Fälle wurde das mit dem Ziel der Haushaltskonsolidierung begründet. So auch der Landtag von Rheinland-Pfalz, als die Steuer zum 1. März 2012 von 3,5 auf 5 Prozent erhöht wurde. Nur in Bayern und Sachsen liegt der Steuersatz noch unverändert bei 3,5 Prozent.

Da Rheinland-Pfalz das Ziel der Haushaltskonsolidierung durch die wirtschaftliche Entwicklung nun erreicht hat und die Bürger dazu beigetragen haben, können sie vom Landtag erwarten, dass der Steuersatz auf das ursprüngliche Niveau von 3,5 Prozent gesenkt wird oder dass das Gesetz grundlegend überarbeitet und die Belastung deutlich reduziert wird.

Warum die Bürger entlastet werden müssen

Neben der Erhöhung der Steuersätze hat insbesondere die Immobilienpreisentwicklung die Steuereinnahmen steigen lassen und zu einer verschärften Belastung der Bürger beigetragen. Für den Haus- oder Wohnungskäufer ist die Steuer besonders auch deswegen ärgerlich, weil sie sein Eigenkapital reduziert, die Steuer nicht durch Kredit zu finanzieren ist und somit seine Kreditkonditionen und seine Bonität verschlechtert werden.

Wenn eine junge Familie z.B. über 100.000 Euro an Eigenkapital verfügt und für die nicht mehr zweiköpfige Familie eine Immobilie für 500.000 Euro kauft, werden in Rheinland-Pfalz 25.000 Euro Grunderwerbsteuer fällig. Die Familie verliert – ohne die Kosten anderer staatlicher Dienstleistungen und die Notarkosten – mit einem Schlag ein Viertel ihres Eigenkapitals. Das hat aus der Sicht der Familie, die in dieser Lebensphase jeden Euro dringend benötigt, die Wirkung einer Vermögensteuer in Höhe von 25 Prozent. Es ist verwunderlich und erschreckend, dass die Abgeordneten, die über diese Steuer entschieden haben, diese massive Belastung nicht gesehen haben oder nicht sehen wollten. Gerade im Interesse der mittleren Einkommensschichten sollte die Steuer abgeschafft bzw. grundlegend geändert werden.

Grunderwerbsteuer nicht gerecht und unvereinbar mit politischen Zielen

Eine Steuer wird in der Regel für politisch vertretbar gehalten, wenn sie mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbar ist. Dieses Kriterium wird von der Grunderwerbsteuer nicht erfüllt und damit entfällt eine überzeugende Rechtfertigung für diese Steuer. Denn bei der Erhebung der Steuer bleiben die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen sowohl mit Blick auf seine Vermögens- wie auch auf seine Einkommensverhältnisse, also seine Leistungsfähigkeit, unberücksichtigt. Außerdem ist das zum Eigentumserwerb eingesetzte liquide Einkommen bereits bei seiner Entstehung (durch Einkommen- oder Abgeltungsteuer) belastet worden. Warum eine einmalige Besteuerung hier nicht ausreicht, dürfte für den Steuerzahler unverständlich sein.

Auch eine Rechtfertigung als Umsatzsteuer ist verfehlt, weil eine Umsatzsteuer auf die Wertschöpfung erhoben wird. Grundstückverkäufe stellen jedoch keine Wertschöpfung dar.

Es gibt für die Grunderwerbsteuer keine formale, systematische Rechtfertigung – außer dass sie den Bundesländern Einnahmen verschafft. Daraus folgt, dass mit Blick auf die ungerechte Belastung der Bürger diese Steuer schnellstens überprüft werden muß.

Möglichkeiten einer modernen Gestaltung

Die Grunderwerbsteuer könnte wegen der exorbitant gestiegenen Staatseinnahmen des Staates und der hohen Steuerbelastung von Privatpersonen und Unternehmen ersatzlos gestrichen werden. Das ist besser, als mit Subventionsprogrammen und hohen Bürokratiekosten die Bildung von Wohneigentum zu fördern.

Falls die Bundesländer auf Einnahmen aus dieser Steuer jedoch nicht vollständig verzichten wollen oder können, bieten sich flexible Gestaltungmöglichkeiten an, über die jedes einzelne Land selbst entscheiden sollte:

  • bei Erwerb selbstgenutzten Wohneigentums könnte mindestens einmal im Leben eines Steuerzahlers ein Freibetrag in Höhe von z. B. 500.000 Euro oder mehr gewährt werden;
  • statt eines einheitlichen Steuersatzes könnten in Abhängigkeit von der Art der Transaktion bzw. der beteiligten Käufer und Institutionen unterschiedlich niedrige Steuersätze festgesetzt werden.

Ausblick

Die Steuerzahler werden mit Interesse beobachten, wie schnell sich die Regierungskoalition dieses Themas annimmt und wie hoch die Steuerentlastung ausfallen wird. Im Bundesland Nordrhein-Westfalen ist durch die Koalitionsvereinbarung bereits ein Anfang gemacht. So plant die neue schwarz-gelbe Landesregierung eine Bundesratsinitiative zur Einführung eines Freibetrages bei der Grunderwerbsteuer. Ziel ist ein Freibetrag in Höhe von 250.000 Euro pro Person bei selbstgenutztem Wohneigentum. Kinder sollen darüber hinaus berücksichtigt werden. Es wäre sehr wünschenswert, wenn sich auch die Ampel-Regierung von Rheinland-Pfalz zumindest für Entlastungen stark machen würde.

Dr. Wolfgang Schneider

Vizepräsident des BdSt Rheinland-Pfalz

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