17.10.2016

Grundsteuerreform birgt Gefahren für Eigentümer wie Mieter

„Heiße Progression“ durch dynamische Bodenpreise und Baukosten

Die Bundesländer arbeiten derzeit gemeinsam an der Reform der Grundsteuer. Hessen und Niedersachsen sind beauftragt, den bereits fertigen Gesetzesentwurf über den Bundesrat in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen. Allerdings birgt der Vorschlag zur Reform der Grundsteuer erhebliche Gefahren und zwar für Eigentümer und Mieter gleichermaßen. 

Kern des Reformvorschlags ist, dass künftig sogenannte „Kostenwerte“ für bebaute und unbebaute Grundstücke als Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer ermittelt werden. Für unbebaute Grundstücke sollen die aktuellen Bodenrichtwerte maßgeblich sein. Bei bebauten Grundstücken soll zusätzlich der Gebäudewert anhand pauschaler Baukostenansätze je Quadratmeter Bruttogrundfläche bestimmt werden. Die pauschalen Kostenansätze sollen für die Baualtersklassen bis 1995, 1995 bis 2004 und ab 2005 alle sechs Jahre an die aktuelle Baukostenentwicklung angepasst werden.

Gegenüber den bisher für die Grundsteuer maßgeblichen Einheitswerten droht durch die Bezugsgrößen Bodenpreise und Baukosten ein struktureller und langfristiger Anstieg der Grundsteuern. Die Daten für Bodenpreise und Baukosten seit 1974 zeigen, dass sich beide Größen gegenüber den allgemeinen Verbraucherpreisen und den Mieten weit überdurchschnittlich entwickelt haben.

Der Gesetzentwurf sieht keine lagespezifische Spreizung der anzusetzenden Bodenrichtwerte innerhalb einer Bodenrichtwertzone vor. Er enthält auch keine Kappungsgrenze durch einen gegebenenfalls niedrigeren gemeinen Wert/Verkehrswert einer Immobilie nach §198 BewG.

Weder von den Ländern noch von den Kommunen darf bei einem Anstieg der Kostenwerte ein Absenken von Steuermesszahlen und/oder Hebesätzen erwartet werden, um die Grundsteuerbelastung der Bürger stabil zu halten. Die Bedeutung der Grundsteuer für eine konjunkturresistente Ausfinanzierung der kommunalen Daseinsvorsorge ist im Vergleich zur Gewerbesteuer und dem Anteil an der Einkommensteuer zu groß, als dass eine Senkung der Hebesätze im Bedarfsfall realistischer Weise erwartet werden kann.

Versprochene Aufkommensneutralität ist unrealistisch

Besonders problematisch ist die Konstellation in den Bundesländern, in denen nahezu jede Gemeinde über einen eigenen Gutachterausschuss verfügt, wie etwa in Baden-Württemberg. Hier entscheidet künftig die Gemeindeverwaltung ohne jegliche parlamentarische Kontrolle durch die ermessensabhängige Festsetzung von Bodenrichtwerten unmittelbar über die Höhe der von ihr vereinnahmten Grundsteuer selbst. Der bekundete politische Wille, Aufkommensneutralität bei der Grundsteuerreform zu gewährleisten, wäre nach Einführung des hessisch-niedersächsischen Modells Makulatur.

Schließlich sollten auch die mittelbaren Lenkungswirkungen der vorgeschlagenen Grundsteuerreform  besser bedacht werden. Neubauten werden gegenüber Altbauten durch höhere Pauschalkostenansätze und Altersabschreibungen, die unterhalb der tatsächlichen Alterswertminderung liegen, steuerlich benachteiligt. Auf diese Weise werden Altbauten für Eigentümer wie Mieter wirtschaftlich interessanter und die politischen Klimaschutzziele der Bundesregierung werden weitgehend konterkariert.

Das politische Minimalziel muss es sein, dass der gemeine Wert/Verkehrswert einer Immobilie die absolute Obergrenze für die Bemessungsgrundlage der Grundsteuer darstellt und dem Steuerpflichtigen im Hauptfeststellungsverfahren die Möglichkeit eingeräumt werden muss, durch Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen den entsprechenden Nachweis anzutreten.

Von Birger Ehrenberg, Vorsitzender des Bundesverbandes der Immobilien-Investment-Sachverständigen

Foto: Bundesverband der Immobilien-Investment-Sachverständigen