28.06.2016

Die Finanzmisere der Städte und Gemeinden in Rheinland-Pfalz

Reform des kommunalen Finanzausgleichs ist nötig

Steuereinnahmen auf Rekordniveau, niedrige Zinsen, Sonderprogramme des Bundes, Entschuldungshilfen des Landes, Sparrunden in den Verwaltungen: Die Kommunen in Rheinland-Pfalz sollten – so könnte man meinen – inzwischen finanziell solide dastehen. Doch weit gefehlt! Die seit Mitte der neunziger Jahre bestehenden Haushaltsdefizite vieler Kommunen setzen sich weiter fort. Betroffen sind zuvorderst die zwölf kreisfreien Städte. Von ihnen finden sich mittlerweile acht unter den 20 am höchsten verschuldeten Städten in ganz Deutschland.

Der größte Teil der kommunalen Schulden ist eine direkte Folge von Aufgaben, die den Kommunen jahrzehntelang ohne ausreichende Gegenfinanzierung per Gesetz von Bund und Land übertragen wurden. So werden in Städten wie Pirmasens mittlerweile rund zwei Drittel der zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel allein durch Sozialleistungen aufgezehrt. Um die Pflichtaufgaben in anderen Bereichen zu finanzieren, bleibt vielerorts nur der Weg in die Verschuldung. Bei diesen offenkundigen strukturellen Problemen darf es nicht verwundern, wenn steuerbedingte Mehreinnahmen oder Investitionshilfen des Bundes allenfalls punktuell und zeitlich eng begrenzt für etwas Entlastung in den Stadt- und Gemeindekassen sorgen.

Die prekäre Finanzlage und immer neue Belastungen gerade seitens der Landespolitik gefährden die Kompetenz der Kommunen zur Lösung auch schwieriger gesellschaftlicher und sozialer Situationen vor Ort und schränken die Erfüllung der Aufgaben für die örtliche Gemeinschaft zusehends ein. Spürbar wird dies für den Bürger vor allem durch Einschnitte bei der Instandsetzung von Straßen, der Gesundheitsversorgung sowie bei Kultur-, Freizeit- und Bildungsangeboten. Das kann und darf nicht sein! Dies führt mittlerweile dazu, dass die von der Verfassung garantierte Gleichwertigkeit von Lebensverhältnissen in allen Teilen der Bundesrepublik in Städten mit besonders hohen sozialen Lasten nicht mehr gewährleistet ist.

Wie können wir die chronische Unterfinanzierung der Kommunen beseitigen? Dazu zunächst folgendes: Zuweilen entsteht in der Öffentlichkeit der Eindruck, als könnten die Kommunen Riesenbeträge in ihren Haushalten umschichten bzw. ganz einsparen. Die Realität sieht anders aus. Denn der überwiegende Teil der Aufgaben der Städte und Gemeinden ist gesetzlich vorgeschrieben. Es kann hier also nicht darum gehen, ob eine Aufgabe ausgeführt wird, sondern allenfalls wie effizient. Die Identifizierung und Umsetzung von Effizienzmaßnahmen begreifen viele Kommunen schon seit Jahren als Daueraufgabe. Ganz gleich ob interkommunale Zusammenarbeit oder oft schmerzhafte Personaleinsparungen in allen Verwaltungsbereichen – vielerorts sind Einsparpotenziale bereits ausgeschöpft.

Steuererhöhungen reichen nicht

Auch auf der Einnahmeseite ist der Handlungsspielraum der Kommunen begrenzt. Direkte Einflussmöglichkeiten gibt es zwar bei den kommunalen Steuern und Abgaben. Aber auch wenn Steuererhöhungen kurzfristig Geld in die klammen Kassen spülen mögen, langfristig droht bei einer übermäßigen finanziellen Belastung die Abwanderung von Unternehmen und damit ein Verlust von Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen. Städte und Gemeinden handeln steuerpolitisch entsprechend abwägend. Belegt wird dies dadurch, dass die Hebesätze der Grundsteuer B und der Gewerbesteuer vielerorts unter dem Bundesdurchschnitt liegen. Dabei gehen Steuererhöhungen nicht immer von den Kommunen selbst aus. Oft ist es auch die Landesregierung bzw. Kommunalaufsicht, die die Kommunen direkt – über die Nivellierungssätze – oder indirekt – z.B. indem der kommunale Eigenanteil bei Förderprogrammen des Landes durch höhere (Steuer-)Einnahmen zu erbringen ist – zu Steuererhöhungen zwingt.

Wenn der gordische Knoten der strukturellen Unterfinanzierung der Kommunen in Rheinland-Pfalz tatsächlich zerschlagen werden soll, muss dort angesetzt werden, wo die Finanzverantwortung für die Städte und Gemeinden liegt: bei der Landesregierung. Die Kommunen benötigen umgehend eine auskömmliche Finanzierung der ihnen übertragenen staatlichen und pflichtigen Aufgaben, so dass sie auch ein Mindestmaß an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben ohne Kreditfinanzierung wahrnehmen können. Die letzte Änderung des Finanzausgleichsgesetzes zu Beginn des Jahres 2014 hat dazu keinen Beitrag geleistet. Ebenso wenig zielführend sind die Aussagen im Koalitionsvertrag, nach denen Gelder von weniger defizitären Kommunen zu hoch defizitären Kommunen umgeschichtet werden sollen oder sich die Finanzmisere durch eine Gebietsreform lösen lasse. Mit all dem weicht man bewusst dem eigentlichen Problem einer permanenten Unterfinanzierung der Städte und Gemeinden durch immer neue Aufgabenübertragungen aus.

Mehr Landesgeld für Kommunen

Was wir wirklich schnellstmöglich brauchen, ist eine grundlegende Reform des kommunalen Finanzausgleichs. Die Finanzzuweisungen, die die Kommunen vom Land erhalten, müssen substanziell aufgestockt werden. Dabei ist sicherzustellen, dass sie mit der Entwicklung der Ausgaben im Bereich der Sozialhaushalte in Zukunft Schritt halten. Neue Aufgabenübertragungen darf es nur noch zusammen mit den erforderlichen Finanzmitteln geben. Eine Sanierung des Landeshaushalts auf Kosten der Kommunen – verbunden einzig mit dem Ziel, die vom Land selbstauferlegte Schuldenbremse einzuhalten – muss unterbleiben. Zudem müssen die Altschulden vor allem der kreisfreien Städte nachhaltig abgebaut werden. Der Kommunale Entschuldungsfonds des Landes war hier ein Anfang, es zeigt sich jedoch, dass durch die Dynamik der Aufgabenzuweisung sein Ziel, für eine nachhaltige Entschuldung der Kommunen zu sorgen, verfehlt wurde. Es bedarf eines wesentlich wirkungsvolleren Entschuldungsprogramms.

In der Verantwortung steht auch der Bund. Wenn er Aufgaben auf die Länder und Kommunen überträgt – wie aktuell bei der Integration der Flüchtlinge – dann muss er auch die zur Erledigung notwendigen Finanzmittel bereitstellen. Damit das wirklich dauerhaft gelingt, brauchen wir eine politische Initiative zur grundsätzlichen Neuordnung des kommunalen Finanzsystems. Dies auch, weil die finanziellen Verflechtungen der drei staatlichen Ebenen mittlerweile nur noch von wissenschaftlichen Experten verstanden werden. Würden sich Bund, Länder und Kommunen hier gemeinsam auf den Weg machen, wäre für alle Seiten viel gewonnen. Die Kommunen jedenfalls stehen bereit.

Dr. Bernhard Matheis
Oberbürgermeister der Stadt Pirmasens und Vorsitzender des Städtetags Rheinland-Pfalz

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