23.12.2015

Contra Landesfamiliengeld

Kein seriöser Vorschlag der CDU - Gastbeitrag von Alexander Schweitzer

Wie ein Donnerschlag hat vor wenigen Monaten ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts die politischen Parteien in Deutschland durchgerüttelt. In unmissverständlicher Klarheit urteilten im Juli dieses Jahres die Karlsruher Richter, dass das von der Union lange geforderte und schließlich durchgesetzte Betreuungsgeld verfassungswidrig sei. Diese Botschaft ist bei der überwiegenden Anzahl der Bundes- und Landespolitiker auch angekommen.

So ist es um das frühere Prestigeprojekt von CDU und CSU rasch still geworden. Nur einige wenige zeigen sich renitent: Die bayrische CSU, für die das Betreuungsgeld ein Herzensanliegen ist, sowie die baden-württembergische und die rheinland-pfälzische CDU; es sprachen sich also zwei CDU-Landesverbände für eine Fortführung des Betreuungsgeldes aus, für die bald ein Landtagswahlkampf losgehen sollte.

Die CDU in Rheinland-Pfalz kleidet ihre Forderung allerdings in ein neues Gewand: Statt von einem Landes-Betreuungsgeld zu sprechen, bei dem begrifflich ja die Schlappe vor dem höchsten deutschen Gericht mitschwingen würde, fabuliert sie von einem „Landesfamiliengeld“. Nebulös erklärte die CDU-Vorsitzende Julia Klöckner zu diesem: Damit solle die „Wahlfreiheit der Eltern“ gestärkt werden. Das Geld sei für mehr Familien als bisher gedacht, und es könnten kinderreiche Familien besonders profitieren. Auf die Frage, wie viel Geld pro Kind bezahlt werden soll, hat die CDU bis heute trotz mehrfacher Nachfragen von Journalisten nicht geantwortet. Es bleibt gar ein großes Fragezeichen, wie alt die Kinder sein sollen, damit die Eltern den Zuschuss bekommen.

Besonders unseriös ist, dass die CDU bisher verschweigt, wie sie das Landesfamiliengeld finanzieren möchte. Denn Fakt ist: Zur Gegenfinanzierung fallen die freiwerdenden Mittel aus dem Betreuungsgeld weg. Dieses Geld hat der Bund den Ländern versprochen; in Rheinland-Pfalz haben sich mittlerweile Land und Kommunen, also die rot-grüne Landesregierung sowie Kommunalpolitiker von CDU, SPD und Grünen, im Grundsatz darauf geeinigt, dass diese Mittel aufgeteilt werden zwischen Land und Kommunen zum Ausbau der Kinderbetreuung, zur Qualitätsverbesserung in den Einrichtungen und für Sprachkurse. Wer nun wie die CDU ein teures, nicht gegenfinanziertes Wahlgeschenk in zweistelliger Millionenhöhe à la Landesfamiliengeld macht, und zugleich weiß, dass die Schuldenbremse zum sparsamen Wirtschaften zwingt, für den trifft vor allem zu: Er agiert unseriös und unverlässlich.

Staatliche Bezahlung für Verzicht auf staatliche Leistung

Überdies möchte keine landespolitische Kraft in Rheinland-Pfalz außer der CDU ein neues Landesbetreuungsgeld oder Landesfamiliengeld einführen; es fehlt damit für diese Forderung die politische Mehrheit, in keiner politischen Konstellation ist sie absehbar. Die Zukunft des Landesfamiliengeldes ist damit vorgezeichnet: Es ist ein Rohrkrepierer, der wohl nie zur Umsetzung gebracht werden wird.

Tränen sollten dafür nicht fließen: Denn nach allem was bisher bekannt ist, wäre das Landesfamiliengeld wie das bisherige Betreuungsgeld eine staatliche Bezahlung dafür, dass man eine andere staatliche Leistung, nämlich den öffentlich geförderten Betreuungsplatz, nicht in Anspruch nimmt. Diese Logik wurde bereits zur Einführung des Betreuungsgeldes als höchst abseitig erkannt, sie ist es auch weiterhin mit Blick auf das Landesfamiliengeld. Dabei ist zu beachten, welche Effekte Betreuungsgeld und Familiengeld de facto auch haben: In besser gestellten Familien sind sie ein schöner Zuschuss zur privaten Kita. In einkommensschwachen und bildungsfernen Familien sind sie ein Anreiz, Kinder zu Hause zu halten; gerade manchen Kindern bildungsferner Familien würde aber die (stundenweise) frühe Förderung in einer Krippe guttun.

Anders als die CDU setzen wir Sozialdemokraten auf eine moderne Familienpolitik. In Rheinland-Pfalz wird seit dem Jahr 2006 von der SPD-geführten Landesregierung mit dem Programm „Zukunftschance Kinder – Bildung von Anfang an“ verstärkt in die Qualität des Angebots an Kindertagesstätten investiert. Der Ausbau der Betreuungsplätze für Kleinkinder ist im Eiltempo gelungen: Während es 2005 nur für 4,8 Prozent der Zweijährigen ein Betreuungsplatz-Angebot gab, ist dieses bei den Unter-Dreijährigen mittlerweile auf rund 42 Prozent angestiegen (Stand: 1. August 2015). Das Ziel der SPD ist nach wie vor aktuell: Die frühkindliche Betreuungs- und Bildungsinfrastruktur konsequent ausbauen, die Kita-Gebührenfreiheit beibehalten. Als SPD sind wir überzeugt: Dies ist im Interesse der Eltern, es schafft eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, und es fördert die Bildungsgerechtigkeit.

Mit Blick auf das vom Bundesverfassungsgericht beerdigte Betreuungsgeld ist es richtig, dass die Bundesregierung dafür sorgt, betroffenen Familien einen Bestandsschutz zu gewähren. Jene Familien, die sich über Familiennachwuchs freuen durften und fest mit dem Betreuungsgeld rechneten, muss dieses auch ausbezahlt werden. Verlässlichkeit und Seriosität sind wichtige Werte in der Politik; die Ankündigung der rheinland-pfälzischen CDU, ein Landesfamiliengeld einführen zu wollen, ist allerdings unseriös und zeugt nicht von Verlässlichkeit.

Autor: MdL Alexander Schweitzer
SPD Fraktionsvorsitzende in Rheinland-Pfalz