10.12.2015

Pro Landesfamiliengeld

Stärkung der Wahlfreiheit - Gastbeitrag von MdL Julia Klöckner

Familien brauchen unsere Unterstützung. Die Kinder von heute sind nicht nur die Steuerzahler von morgen, sondern die Zukunft und das Kraftzentrum einer Gesellschaft. Eltern und Familien stehen unter enormen Druck heute, zwischen Erziehung der Kinder, Mobilität und Flexibilität im Beruf sowie Betreuung der hilfsbedürftigen Eltern. Jede Familie ist dabei anders und braucht deshalb Frei- und Spielräume, auch finanzielle. Das Betreuungsgeld ist einer dieser Spielräume. Es wurde formal, nicht inhaltlich als verfassungswidrig erklärt, denn der Bund ist dafür nicht zuständig.

Allein in Rheinland-Pfalz nehmen Eltern von über 23.000 Kindern das Betreuungsgeld in Anspruch und betreuen ihre Kleinsten, die unter Dreijährigen zu Hause. Bundesweit waren es im 1. Quartal 2015 über 450.000 Mütter und Väter. Das ist ein starkes Signal und genau kein Grund, Eltern hier zu diskreditieren. Ist es wirklich so wie Regierungsmitglieder in Rheinland-Pfalz behaupten, dass das Betreuungsgeld Kinder von frühkindlicher Bildung fernhält, dass die unter Dreijährigen Schaden nehmen, wenn sich ihre Eltern gerade in den ersten Lebensjahren auf sie zuhause konzentrieren, Bindung aufbauen, ist das keine frühkindliche Bildung? Es gibt Sozialdemokraten, die das behaupten. Als ob Eltern nicht in der Lage wären, ihre ganz Kleinen – wir sprechen hier von Kindern unter zwei Jahren – adäquat zu fördern.

Mein Bild von jungen Eltern ist ein anderes. Ich denke an selbstbewusste junge Mütter und Väter, die nur das Beste für ihre Kinder wollen, einen bestimmten Weg wählen und sich gemeinsam entscheiden können. Es ist deshalb gut wenn es nicht nur die staatlich organisierte Kinderbetreuung gibt, sondern Strukturen, die Eltern helfen, die Betreuung und Förderung anders zu organisieren – dazu gehören auch Tagesmütter oder private Einrichtungen, wenn zum Beispiele die Eltern Schicht arbeiten müssen. Auch an dieser Stelle ist das Betreuungsgeld hilfreich gewesen, denn Tagesmütter und individuelle Lösungen kosten Geld.

Hier kommt die Diskussion an einen ganz entscheidenden Punkt: Wir sollten Eltern auch in der Frage der Kinderbetreuung und -förderung eine verantwortungsvolle Entscheidung zutrauen. Ob sie nun für ihre Kleinsten eine Krippe bzw. staatlich geförderte Kindertagespflege vorsehen, eine Tagesmutter nutzen oder die Betreuung zu Hause bevorzugen – sie haben ihre Entscheidung aus guten Gründen getroffen. Und das sollten wir respektieren. Denn sie kennen ihre Kinder am besten. Sie wissen um ihre Bedürfnisse und Eigenschaften, Fähigkeiten und Schwächen. Nicht für jedes Kind ist zu jedem Zeitpunkt das Gleiche gut. Jedes Kind ist anders und jedes Kind hat individuelle Bedürfnisse. Wir haben Vertrauen in die Eltern, dass sie selbst entscheiden können, welche Betreuungsform sie bei kleinen Kindern wann wählen. Es geht hier um Wahlfreiheit. Mit der Klage gegen das Betreuungsgeld wurde den Familien ein Bärendienst erwiesen.

Bundesgeld für Familien

Das Bundesverfassungsgericht hat also nun entschieden, dass es ein Betreuungsgeld des Bundes nicht dauerhaft geben wird – mangels Zuständigkeit des Bundes und nicht etwa, weil es die Förderung als solche für bedenklich gehalten hätte. In der Praxis wird das Betreuungsgeld also auslaufen. Dabei hat die Bundesregierung klargestellt, dass alle Familien, die bereits einen positiven Betreuungsgeldbescheid in den Händen halten, das Betreuungsgeld ausgezahlt bzw. weitergezahlt bekommen. Das ist gut so. Denn diese Familien brauchen Planungssicherheit.

Was soll aber nun mit dem Geld geschehen, das aus dem Betreuungsgeld frei wird? Immerhin 1,2 Mrd. Euro. Ich möchte, dass es bei den Familien bleibt. Deshalb muss es in voller Höhe den Ländern zur Verfügung stehen. Für Rheinland-Pfalz schlage ich mit diesen Mitteln die Einführung eines Landesfamiliengeldes vor. Nicht statt Ausbau der Kitas, sondern parallel dazu. Das eine sollten wir nicht gegen das andere ausspielen.

Es stört mich an der familienpolitischen Debatte nachhaltig, dass wir so tun, als könnten Eltern keine drei Schritte mehr alleine gehen und als wüsste der Staat immer alles besser. Unsere Erzieherinnen leisten tolle Arbeit, sie sind eine Ergänzung elterlicher Fürsorge, niemals aber Ersatz. Deshalb ist es an der Zeit, das Engagement der Eltern stärker wertzuschätzen. Auch darum geht es beim Landesfamiliengeld.

Statt Familien aller möglichen Verdächtigungen auszusetzen, sollten wir sie unterstützen, und eben nicht die staatliche Lufthoheit über den Kinderbetten anstreben. Das von uns vorgeschlagene Landesfamiliengeld berücksichtigt die besondere Lage unseres Bundeslandes. Da die Mehrzahl der Kinder bereits mit dem zweiten Lebensjahr den Kindergarten besucht, kann man es im Anschluss an das Elterngeld bis zum zweiten Geburtstag für alle Familien ausbezahlen, unabhängig von ihrer Betreuungsentscheidung. Kinderreiche sollten mit höheren Beträgen berücksichtigt werden, da sie es in unserer Gesellschaft besonders schwer haben. Das ist eine familiennahe Politik, die die Lebenswirklichkeit aufnimmt, ohne den Eltern eine Entscheidung vorzuschreiben.

Gastbeitrag von MdL Julia Klöckner
CDU-Fraktions- und Landesvorsitzende in Rheinland-Pfalz