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SCHWARZBUCH 2013

Schwarzbuch 2015

Die öffentliche Verschwendung 2013

Sechs Schwarzbuch-Fälle aus Rheinland-Pfalz

 In dem heute vorgestellten neuen Schwarzbuch dokumentiert der Bund der Steuerzahler über 100 Fälle, die für den verschwenderischen Umgang mit Steuergeld in Deutschland stehen. Vermeidbare Kostenexplosionen, unangemessenes Prestigedenken, teure Fehlplanungen, kostspielige Annehmlichkeiten und vieles mehr sind in der 41. Ausgabe des Schwarzbuches zu finden. Aus Rheinland-Pfalz sind in diesem Jahr sechs Fälle mit dabei.

1. Boppard (Verschwendung droht)

Seit Jahren wird in der Rheinstadt Boppard (Rhein-Hunsrück-Kreis) von einem edlen Thermalbad- und Saunakomplex mit Wellness-Bereich geträumt, der die Schwimmbäder in der Umgebung alt aussehen lassen soll. Das hat natürlich seinen Preis. Insgesamt soll die „Römertherme“ rund 18,1 Mio. Euro kosten; für die Erschließung der Thermalquelle und die Bauplanung wurden bereits 3,6 Mio. Euro investiert. Doch politische Streitigkeiten und finanzielle Probleme haben die Realisierung immer wieder verzögert; 2010 schien das Projekt sogar vom Stadtrat ein für alle Mal beerdigt worden zu sein. Aber die Römertherme war politisch nie so richtig totzukriegen. Dazu war die Idee, den als Heilquelle anerkannten Thermalbrunnen für den Tourismus zu nutzen, wohl einfach zu reizvoll.

Allerdings weisen unabhängige Untersuchungen darauf hin, dass Boppard mit der Römertherme noch weiter im Schuldensumpf versinken wird. Denn neben den hohen Investitionskosten würden noch Defizite aus dem laufenden Betrieb anfallen. Die Deutsche Gesellschaft für das Badewesen prognostizierte im März 2013 das wahrscheinliche Betriebsdefizit auf 334.000 Euro pro Jahr. Inklusive der Kapitalkosten soll das jährliche Minus sogar bei fast 1,2 Mio. Euro liegen. Zum Vergleich: Ende 2012 lag die Verschuldung von Boppard bei 12,8 Mio. Damit gehört die Rheinstadt mit knapp 16.000 Einwohnern zwar nicht zum Kreise der schlimmsten Schuldensünder in Rheinland-Pfalz, jedoch war die Verschuldung hoch genug, um nach der Entschuldungshilfe des Landes zu schreien.

Boppard sieht aber keinen Widerspruch darin, einerseits im Bettelgewand vor das Land zu treten und andererseits ein defizitäres Luxusbad für einen zweistelligen Millionenbetrag bauen zu wollen. Teilweise liegt das auch darin begründet, dass die Stadt unangenehme Prognosen nach Bedarf ausblendet und beim Betriebsergebnis lieber auf das Prinzip Hoffnung setzt. Allerdings spielte die Kommunalaufsicht nicht mit und versagte im September 2013 die Genehmigung der Kredite. Damit hängt die Realisierung der Römertherme einmal mehr in der Luft. Gut wäre es, das teure Bauprojekt endlich aufzugeben. Nicht jede verschuldete Stadt benötigt ein eigenes Schwimmbad – schon gar nicht einen Badetempel.
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2. Germersheim (Erfolg)

Im pfälzischen Germersheim werden die runden Geburtstage der Bürgermeister gern ausgiebig gefeiert. Und damit sich niemand ausgegrenzt fühlt, werden gleich alle Stadtbewohner herzlich dazu eingeladen. Im Dezember 2012 war es dann wieder soweit. Über 400 Gäste sind der Einladung gefolgt und haben den 50. Geburtstag des Stadtoberhaupts im lokalen Kulturzentrum gefeiert. Insgesamt hat das lustige Treiben nach Angaben der Verwaltung etwa 13.400 Euro gekostet – nach den Berechnungen der Opposition sogar fast 22.000 Euro.

Soweit es sich nicht um städtische Dienstleistungen handelte, wurden die Kosten weitgehend aus den üppigen Verfügungsmitteln des Bürgermeisters bestritten, denn die liegen aktuell bei 25.000 Euro im Jahr. Eigentlich sind diese Verfügungsmittel für kleine Aufwendungen im Rahmen dienstlicher Zwecke, z. B. für Präsente wie Blumensträuße oder Wein, nicht aber zur Finanzierung schicker Partys gedacht. Und eigentlich belaufen sich die Verfügungsmittel bei vergleichbar großen Städten nur auf wenige tausend Euro. Doch wie bei den Geburtstagsfeiern pflegte Germersheim auch hier eine höchst eigenwillige Tradition. Nach der öffentlichen BdSt-Kritik gelobte der Bürgermeister aber im persönlichen Gespräch gleich dreifache Besserung. So soll es zukünftig keine derartigen Geburtstagsfeiern mehr auf Steuerzahlerkosten geben, von den Partyausgaben will er 7.000 Euro an die Stadtkasse zurückerstatten und die Verfügungsmittel sollen ab 2014 kräftig reduziert werden. Warum können nicht alle Bürgermeister so einsichtig sein?

3. Koblenz (Teure Fehler)

Erst gründlich planen, dann kaufen – mit diesem Grundsatz scheint die Stadt Koblenz so ihre Probleme zu haben. Ende 2009 hat Koblenz ein leer stehendes Eckhaus an der Kreuzung Trierer Straße / Oberdorfstraße im Stadtteil Metternich erworben. Das Haus hätte bereits 2010 abgerissen werden sollen, um die Straße verbreitern und zusätzlich einen Gehweg anlegen zu können. Wie die Verwaltung betont, sei dies zur Verbesserung der Verkehrssituation erforderlich. Passiert ist aber bis heute nichts, denn erst nach dem Erwerb der Immobilie wurde festgestellt, dass ein Abriss baulich problematisch wäre. Grund dafür sind die gemeinsam tragenden Wände zwischen dem Eckhaus und den Nachbargebäuden. Zudem würde nach dem Abriss eine Baulücke mit den unansehnlichen ehemaligen Innenwänden verbleiben.

Was mit der nach dem Straßen- und Gehwegbau verbleibenden Restfläche des Grundstücks passieren soll, ist gleichfalls ungeklärt. Als wäre das alles noch nicht peinlich genug, hat die Polizei auf BdSt-Nachfrage angegeben, dass die Kreuzung gar kein Unfallschwerpunkt sei. In den vergangenen drei Jahren gab es gerade einmal einen Unfall mit Sachschaden. Was hat bzw. wird nun der ganze Spaß kosten? Hierbei zeigte sich die Stadtverwaltung eher zugeknöpft. Angaben zu den Erwerbskosten der Immobilie wurden dem BdSt mit Hinweis auf den Kaufvertrag verweigert. Im städtischen Haushaltsplan ist aber die Summe von 105.000 Euro als Planansatz zu finden. Wie viel die anvisierten Abriss- und Baumaßnahmen insgesamt kosten sollen, konnte oder wollte die Stadtverwaltung auch nicht sagen. Es wurde nur verraten, dass allein die Aufwendungen für den Straßenbau bei rund 50.000 Euro liegen würden. Fragt sich also, was am Ende für die Steuerzahler schlimmer wäre: Die Aufgabe oder der Vollzug dieser halbherzigen Planung.

4. Mainz (Brücken, Verkehr & Co.)

Was lange währt, wird endlich gut – das muss sich die Mainzer Stadtverwaltung gedacht haben, als sie die Fußgängerbrücke an der kleinen Bahnhaltestelle „Waggonfabrik“ (Ortsbezirk Mombach) saniert hat. Denn fast ein Jahrzehnt lang hatte der Mombacher Ortsbeirat eben jenes von der Landeshauptstadt gefordert. Im Jahr 2013 wurde der Wunsch der Lokalpolitiker schließlich erfüllt. Insgesamt hat die Sanierung etwa 340.000 Euro gekostet, davon hat Mainz 240.000 Euro und ein privates Unternehmen 100.000 Euro gestemmt. Allerdings hätte die ohnehin nicht barrierefreie Brücke auch für rund 140.000 Euro ersatzlos abgerissen werden können.

So schafft die Fußgängerbrücke zwar eine Verbindung vom Bahnsteig zur parallel dem Gleis verlaufenden Straße „Am Schützenweg“, aber wer nur drei bis vier Gehminuten investiert, kann diese Straße auch über einen Fußgängertunnel erreichen. Aus Sicht der Stadt Mainz ist das jedoch nicht zumutbar. Gerade für die mit dem Zug anreisenden Auswärtigen, die an den Veranstaltungen der nahe gelegenen Phönix-Halle teilnehmen wollen, sei die Brücke wichtig. Eine BdSt-Nachfrage bei der Phönix-Halle brachte dagegen Anderes zutage. Die Fußgängerbrücke werde nicht benötigt, da die Masse der Besucher die Haltestelle „Waggonfabrik“ gar nicht nutze. Deswegen werde diese Anreisemöglichkeit nicht einmal auf der Homepage der Phönix-Halle erwähnt. Wer also auch immer diese Brücke nutzen mag, weiß es hoffentlich zu schätzen, dass die Stadt Mainz so viel gutes Steuergeld zur Vermeidung eines kleinen Umwegs ausgegeben hat.

5. Rheinland-Pfalz (Teure Fehler)

Wer Darlehen in Millionenhöhe vergibt, sollte die Kreditwürdigkeit seines angehenden Schuldners genauestens prüfen. Doch ob der im Länderbesitz befindliche Flughafen Hahn und die Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB) im Falle der insolventen Frachtfluggesellschaft Air Cargo Germany (ACG) die nötige Vorsicht haben walten lassen, darf sehr bezweifelt werden. Beide haben der ACG je 5 Mio. Euro geliehen und jeweils ihre Kredite durch deren Pleite im April 2013 verloren. Wie konnte das nur passieren? Der im Mai 2008 gegründeten ACG mit Sitz am Flughafen Hahn gelang es trotz tendenziell steigender Umsätze nie, profitabel zu wirtschaften.

Wer die Jahresabschlüsse untersucht, wird ein Unternehmen vorfinden, das an einer stets verlustreichen Geschäftstätigkeit, an einer seit 2009 steigenden Überschuldung und an einer sehr schlechten Finanzausstattung litt; von Kreditwürdigkeit konnte da keine Rede sein. Dennoch übernahm die ISB im März 2011 von einer Privatbank einen Kredit von 5 Mio. Euro zugunsten der ACG, an dem sie zuvor nur anteilig beteiligt war. Im Detail wollte die ISB dem BdSt zu dieser fragwürdigen Entscheidung nicht Rede und Antwort stehen. Stattdessen wurde auf das Bankgeheimnis verwiesen und pauschal erklärt, dass das Darlehen mit banküblichen Sicherheiten versehen und risikogerecht konditioniert worden sei. Fast entschuldigend fügte die ISB noch hinzu, dass bei der Kreditvergabe auch wirtschafts- und strukturpolitische Gesichtspunkte eine Rolle spielen würden.

Noch einfacher hat es sich der dauerdefizitäre Flughafen Hahn gemacht, der im März 2013 durch einen Nachtragshaushalt vor der drohenden Insolvenz gerettet wurde. In einem lapidaren Dreizeiler teilte der Hahn-Geschäftsführer dem BdSt mit, dass es sich um einen internen Geschäftsvorfall handele und daher keine Informationen zur Verfügung gestellt würden. Sprich, der dumme Steuerzahler muss zwar für Fehlentscheidungen des Hahn finanziell geradestehen, soll aber kein Anrecht auf Informationen zu diesen Fehlentscheidungen haben. Im Ergebnis lässt sich nicht der Eindruck vermeiden, dass der Flughafen Hahn und die ISB zusammen 10 Mio. Euro verbrannt haben, um eine marode Frachtfluggesellschaft ein bis zwei Jahre länger am Leben zu erhalten. Die ISB kann sich hinter dem Bankgeheimnis bequem verstecken, der Flughafen Hahn dagegen nicht. Deshalb hat der BdSt eine Auskunftsklage eingereicht, um auf dem Rechtsweg die nötige Aufklärung zu erzwingen.

6. Rheinland-Pfalz (Verschwendung droht)

Das Abschiebegefängnis des Landes Rheinland-Pfalz in Ingelheim lässt sich mit drei Worten beschreiben: überdimensioniert, unwirtschaftlich, hässlich. Auch die Haftbedingungen wurden seit der Inbetriebnahme im Jahr 2001 wiederholt heftig kritisiert. Im Juli 2013 hat die Landesregierung Besserung gelobt und ihre Pläne für einen Umbau vorgestellt. So sollen z. B. die Fenstergitter abgebaut, die Zellentüren durch normale Türen ausgetauscht, die hohen Mauern teilweise zurückgebaut, die Zimmer neu möbliert sowie die Flure und der Hof umgestaltet werden. Insgesamt sollen alle geplanten Veränderungen rund 4 Mio. Euro kosten.

Sinnvoll – aber viel zu spät – ist die geplante Reduzierung der Haftplätze von 152 auf 40 bis 50. Denn meist lag die Belegung des Gefängnisses bei weniger als zehn Insassen. Im Jahr 2012 waren insgesamt 204 ausreisepflichtige Ausländer untergebracht, von denen sogar 86 aus dem Saarland „stammten“. Im Schnitt lag deren Aufenthaltsdauer bei 29 Tagen. Die dafür aufgewandten Kosten lagen bei satten 4,5 Mio. Euro – also etwa 22.000 Euro pro Insasse. Rund 1,2 Mio. Euro der jährlichen Kosten werden vom Saarland getragen, das langfristig 50 Haftplätze „angemietet“ hat. Doch ob sich die laufenden Kosten der Haftanstalt nach Vollzug der vielfältigen Maßnahmen reduzieren werden, kann nicht einmal das zuständige Integrationsministerium einschätzen.

Zudem will die Landesregierung die Abschiebehaft eigentlich komplett abschaffen. Eine entsprechende Bundesratsinitiative will Rheinland-Pfalz noch im Jahr 2013 auf den Weg bringen. Die Umbau-Maßnahmen sollen aber bereits beginnen, bevor über die Zukunft der Abschiebehaft entschieden wird. Im Erfolgsfalle wären also alle bis dahin getätigten Ausgaben verschwendet. Um diese Gefahr abwenden zu können, wäre es nur erforderlich, dass die Landesregierung mehr Vertrauen in die Kraft ihrer Argumente setzt und dem politischen Entscheidungsprozess die nötige Zeit gibt.