14.04.2021

Leistungsunabhängige Leistungsentgelte

Öffentlicher Dienst setzt kaum Arbeitsanreize

Seit dem Jahr 2007 sieht der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vor, dass Kommunen ihren Mitarbeitern leistungsabhängige Bonuszahlungen gewähren. Der Steuerzahlerbund hat bei den kreisfreien Städten nachgefragt, wie sie es mit den sog. Leistungsentgelten halten. Das durchwachsene Ergebnis: Leistungsunabhängige Leistungsentgelte sind an der Tagesordnung, sie betreffen fast die Hälfte der ausgezahlten Boni.

Bonuszahlungen sind in der freien Wirtschaft normaler Bestandteil vieler Arbeits- oder Tarifverträge. Wo Leistung und Erfolg messbar sind, bieten davon abhängige Boni finanzielle Anreize, sich als Arbeitnehmer besonders einzusetzen. Auch der kommunale öffentliche Dienst schreibt seit dem Jahr 2007 Bonuszahlungen in seinem Tarifvertrag vor, dem TVöD (Bereich VKA, der Vereinigung kommunaler Arbeitgeber). Sie werden Leistungsentgelte genannt. Ziel dieser Zahlungen ist es, die Mitarbeiter zu höherer Leistung zu motivieren sowie Eigenverantwortung und Führungskompetenz zu stärken.

Gemäß TVöD bestehen drei verschiedene Arten von Leistungsentgelten. Alle haben gemeinsam, dass sie zusätzlich zum sog. Tabellenentgelt, also dem monatlichen Gehalt nach Entgeltgruppe und Erfahrungsstufe, gewährt werden. Leistungsprämien sind in der Regel einmalige Zahlungen, die aufgrund einer Zielvereinbarung erfolgen. Erfolgsprämien sind abhängig von einem festgelegten wirtschaftlichen Erfolg. Schließlich gibt es die Leistungszulage, die eine befristete und widerrufliche monatliche Zahlung darstellt.

Über 35,3 Mio. Euro als Leistungsentgelte

In Summe beträgt das Leistungsentgelt zwei Prozent des vorjährlichen Entgelt-Volumens aller TVöD-Beschäftigten der jeweiligen Kommune. Grundlage für die individuelle Auszahlung sollen entweder Zielvereinbarungen mit einzelnen Beschäftigten oder Beschäftigtengruppen oder eine Leistungsbewertung sein. In beiden Fällen sollen messbare oder objektive Kriterien berücksichtigt werden oder die Leistungsbewertung erfolgt aufgabenbezogen.

Bei allen zwölf kreisfreien Städten hat der BdSt nachgefragt, wie sie es mit den Leistungsentgelten für ihre Angestellten halten. Nur drei Städte, Ludwigshafen, Neustadt a. d. W. und Frankenthal (Pfalz) haben nicht geantwortet. Das Ergebnis der BdSt-Umfrage ist durchwachsen: Derzeit zahlen sechs Städte die Leistungsentgelte völlig leistungsunabhängig aus; nur drei machen die Bonuszahlungen von Leistungsfaktoren abhängig, nämlich Koblenz, Trier und Worms.

Von 2015 bis 2019 zahlten die kreisfreien Städte, deren Antwort vorliegt, zusammen 27,8 Mio. Euro an Leistungsentgelten aus, weitere 7,5 Mio. Euro wurden für eine spätere Auszahlung zurückgestellt. Im genannten Zeitraum hatte die Landeshauptstadt Mainz die höchste Summe an (ausgezahlten bzw. zurückgestellten) Leistungsentgelten, nämlich rund 10,1 Mio. Euro. Es folgten Koblenz mit 5,3 Mio. Euro, die bereits komplett ausgezahlt wurden, und Kaiserslautern mit knapp fünf Mio. Euro.

Fast die Hälfte leistungsunabhängig ausgeschüttet

Das Problem dabei: Rund 12,7 Mio. Euro bzw. über 45 Prozent der ausgezahlten Leistungsentgelte wurden unabhängig von festgestellten Leistungen ausgezahlt! So zahlte die Stadt Kaiserslautern über den gesamten abgefragten Zeitraum ihre Leistungsentgelte leistungsunabhängig, was die Stadt „gleichmäßige Ausschüttung“ nannte. Bis 2015 hatte Mainz die Leistungsentgelte leistungsabhängig gezahlt, nämlich mittels Zielvereinbarungen, die mit einem Punktesystem kombiniert wurden. Seit 2016 sind in der Landeshauptstadt die Leistungsentgelte unabhängig von den Leistungen ihrer Angestellten vergeben worden – inzwischen rund 2,3 Mio. Euro.

Bereits seit 2007 zahlt die Stadt Trier ihre Leistungsentgelte leistungsorientiert aus. Nur im Jahr 2019 kam es zu einer leistungsunabhängigen Auszahlung in Höhe von rund 456.000 Euro – der Hälfte des Leistungsbudgets. Es handle sich um eine „Übergangsregelung“. Grund ist eine Novellierung der Dienstvereinbarung im Jahr 2019. Die andere Hälfte wurde 2020 wie üblich leistungsabhängig ausgeschüttet.

Eine „Übergangsregelung“ nannte auch Zweibrücken ihre Auszahlung, die allerdings für den angefragten Zeitraum vollständig leistungsunabhängig war. Fast 1,4 Mio. Euro, die laut Tarifvertrag an leistungsstarke Mitarbeiter hätten ausgezahlt werden sollen, wurden unabhängig von der Arbeitsleistung oder dem Arbeitserfolg vergeben.

Auch Landau und Pirmasens beschrieben ihr Leistungssystem als „undifferenzierten Auszahlung“. In diesen Städten summierten sich die leistungsunabhängigen Leistungsentgelte von 2015 bis 2019 auf 1,4 bzw. 2,1 Mio. Euro.

Warum keine leistungsabhängige Entgeltkomponente?

Immerhin planen Kaiserslautern und Zweibrücken für dieses Jahr, dass die Leistungsentgelte endlich leistungsabhängig werden. Auch in Mainz verhandeln Stadtvertreter und Personalrat über eine neue Dienstvereinbarung.

Speyer ging den umgekehrten Weg. Bis 2018 hatte die Stadt leistungsabhängige Leistungsentgelte etabliert, seit 2019 zahlt sie die Prämien jedoch über das „Gießkannenprinzip“ aus. Es geht um mehr als 650.000 Euro im Jahr. Warum schuf die Domstadt die Leistungsabhängigkeit der Bonuszahlungen ab? Die Zielvereinbarungen seien ein „weitgehend ungeeignetes Instrument“ gewesen, Leistungen zu messen und finanziell zu honorieren: „In der Regel wurden die Ziele entweder nicht klar genug definiert oder so vereinbart, dass sie zu leicht erreicht werden konnten.“ Auch sei der Verwaltungsaufwand enorm.

In dieselbe Kerbe schlägt Landau. Auch die pfälzische Stadt machte u.a. den „zusätzlichen hohen Verwaltungsaufwand“ sowie die hohen Kosten für die Einführung eines leistungsabhängigen Systems verantwortlich dafür, dass ihre Leistungsentgelte unabhängig von Leistung ausgezahlt werden. Pirmasens argumentiert auch so. Zudem sei eine in Geld umrechenbare objektive Leistungsbeurteilung auf „kommunaler Ebene flächendeckend nahezu unmöglich“.

Pauschale Leistungsentgelte nachträglich legitimiert

Tatsächlich war die undifferenzierte Auszahlung der Leistungsprämien über Jahre tarifwidrig. Erst seit der jüngsten Änderung des TVöD-VKA im Oktober 2020 ist das Gießkannenprinzip zumindest für bestehende Dienstvereinbarungen erlaubt. In diesem Zusammenhang spricht der Landesrechnungshof (LRH) von einer „nachträglichen ,Amnestie‘ leistungsferner Dienstvereinbarungen“. Zudem stellt der LRH klar: Dienstvereinbarungen, die nach dem Oktober 2020 abgeschlossen werden, dürfen keine leistungsunabhängigen Leistungsentgelte vorsehen.

Ausdrücklich erteilt der LRH einer „Mischung“ aus pauschaler und leistungsorientierter Auszahlung der Leistungsentgelte eine Abfuhr. Eine solche Aufteilung sei tarifvertraglich unzulässig. Demnach müssen die Leistungsentgelte, deren Summe im TVöD definiert ist, vollständig leistungsgebunden sein.

BdSt-Fazit:

Um die Auszahlung von Leistungsentgelten kommen die Kommunen nicht umher. Ihre Gesamthöhe ist tariflich festgeschrieben. Insofern handelt es sich nicht um eine klassische Steuergeldverschwendung, wenn Leistungsentgelte pauschal ohne jeden Leistungsbezug an die Angestellten ausgezahlt werden. Aber es ist eine Zweckentfremdung dieser Entgeltkomponente.

Sicherlich eignen sich nicht alle Bereiche der öffentlichen Verwaltung für den Einsatz von leistungsabhängigen Gehaltszusätzen. Vor diesem Hintergrund ist Pirmasens recht zu geben, dass ein flächendeckender Einsatz nahezu unmöglich ist. Jedoch sollte dies kein Vorwand sein, auch in Verwaltungsbereichen mit messbarer Leistung auf die leistungsorientierte Boni zu verzichten. Geld stellt einen Leistungsanreiz dar. Auch dass der Vorgesetzte gute Leistungen feststellt, motiviert die Mitarbeiter. Insofern sind Leistungsentgelte ein doppelter Ansporn: Gute Arbeit wird wahrgenommen und prämiert. Darauf sollte kein Arbeitgeber freiwillig verzichten. Nicht umsonst macht die freie Wirtschaft es vor.

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