03.09.2020

Beamte erhalten Lohnfortzahlung bei selbst verschuldeter Corona-Quarantäne

Landesregierung weiß fast nichts über Auswirkungen ihrer eigenen Regelung

In der freien Wirtschaft erhalten Angestellte regelmäßig keine Lohnfortzahlung, wenn sie wissentlich in ein Corona-Risikogebiet gereist sind und nach ihrer Heimkehr in Quarantäne müssen. Anders verfährt das Land Rheinland-Pfalz: Beamte und Landesangestellte erhalten dennoch ihr Entgelt. Wie viele im Landesdienst davon profitieren und wieviel dies kostet, weiß die Landesregierung hingegen nicht.

Im Krankheitsfall erhalten Arbeitnehmer grundsätzlich bis zu sechs Wochen eine Lohnfortzahlung durch ihren Arbeitgeber. Dies gilt aber nur, sofern die Betroffenen kein eigenes Verschulden an der Erkrankung haben. In Corona-Zeiten wird diese Einschränkung durchaus relevant: Wer nämlich wissentlich in ein Corona-Risikogebiet gereist ist, für das bereits vor der Abreise eine Reisewarnung bestand, muss sich nach der Heimkehr unverzüglich in eine 14-tägige Quarantäne begeben. Diese zwei Wochen bedeuten ein selbstverschuldetes Fernbleiben von der Arbeit – ist kein Homeoffice möglich, heißt dies in der freien Wirtschaft meistens: Für diesen Zeitraum gibt es vom Arbeitgeber kein Geld.

Wenn Beamte oder Landesangestellte ihren Urlaub in einem Corona-Risikogebiet machen, müssen auch sie sich 14 Tage absondern. Dann wird den Beamten das „Fernbleiben vom Dienst“ genehmigt und bei Landesangestellten wird auf die „Entgegennahme der angebotenen Arbeitsleistung verzichtet“, wie es im schönsten Amtsdeutsch in einem verwaltungsinternen Rundschreiben des Innenministeriums heißt. Aber: Anders als Arbeitnehmer in der freien Wirtschaft erhalten Landesbeamte und -angestellte weiterhin ihren Lohn – selbst dann, wenn sie wissentlich in ein Corona-Risikogebiet mit bestehender Reisewarnung gereist sind!

In dem besagten Rundschreiben, das dem Steuerzahlerbund vorliegt, appelliert das Land lediglich an seine Beamten und Angestellten, doch bitte nicht in ein Corona-Risikogebiet zu reisen.

Problem: Homeoffice oft nicht möglich

Wie viele Landesbeamte und -angestellte von der Regelung betroffen sind, konnte das Finanzministerium dem Steuerzahlerbund nicht beantworten. Dies sieht der BdSt als Armutszeugnis: Zum einen ist dadurch eine Kostenschätzung nicht möglich, weswegen wohl auch diese Frage des BdSt unbeantwortet blieb. Zum anderen wird den übrigen Beamten und Angestellten ggf. zugemutet, für eine nicht abschätzbare Anzahl fehlender Kollegen in schwierigen Zeiten die Arbeit miterledigen zu müssen. Auch für Bürger und Unternehmen könnten die Warte- und Bearbeitungszeiten länger werden – wofür diese als Steuerzahler sogar noch finanziell aufkommen.

Obwohl das Land nicht weiß, wie viele seiner Mitarbeiter von der großzügigen Lohnfortzahlung betroffen sein werden, gibt es sich zuversichtlich, dass „der größte Teil möglicher Betroffener in der Quarantäne von zu Hause arbeiten könnte.“ Dem BdSt gegenüber betont das Finanzministerium, dass „für die Zeit der notwendigen Abwesenheit vorrangig – soweit möglich – Telearbeit, mobiles Arbeiten oder Heimarbeit in Anspruch zu nehmen“ sei.

Längst nicht so optimistisch in puncto Heimarbeit im öffentlichen Dienst gibt sich der Deutsche Beamtenbund (dbb): „Digitalisierungsrückstand erschwert Homeoffice im öffentlichen Dienst“, heißt es in einer dbb-Presseerklärung vom 19. März 2020. Systemimmanente Gründe setzen der Heimarbeit Grenzen. Darunter fallen der Datenschutz, dass bestimmte Akten nicht mit nach Hause genommen werden dürfen und dass persönliche Anwesenheit am Dienstort notwendig ist sowie die Technik. Der dbb konstatiert: „Die technische Ausstattung und IT-Architektur sind oft furchtbar veraltet.“ Digitales und mobiles Arbeiten sei an vielen Arbeitsplätzen schlicht nicht umzusetzen.

Keine Gründe für Großzügigkeit genannt

Das Finanzministerium nannte keine nachvollziehbaren Gründe, warum das Land mit der Lohnfortzahlung im Falle einer selbstverschuldeten Quarantäne kulanter ist als die freie Wirtschaft. Es verwies auf das Infektionsschutzgesetz und die 10. Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz, die Heimkehrer aus Risikogebieten zur Quarantäne verpflichte. Als Begründung für die freiwillige Lohnfortzahlung des Landes sind die genannten Rechtstexte aus BdSt-Sicht unzureichend: Wer gezielt in ein bekanntes Corona-Risikogebiet reist, nimmt sehenden Auges in Kauf, anschließend in Quarantäne müssen. Damit entfällt ein Anspruch auf Lohnfortzahlung – diese ist dann eine freiwillige Leistung des Landes.

BdSt-Fazit:

Die freigiebige Regelung des Landes setzt falsche Anreize, als Beamter oder Landesangestellter munter überall dahin zu reisen, wo man augenblicklich besser nicht Urlaub machen sollte. Unverantwortliche Risiken einzugehen, hat ausgerechnet für diejenigen mit den sichersten Arbeitsplätzen keine negativen Effekte. So kann eine Quarantäne billigend in Kauf genommen werden. Ist Homeoffice nicht möglich, muss die Arbeit der Risiko-Urlauber von den Kollegen erledigt werden und der krisengebeutelte Steuerzahler darf die selbstverschuldete Quarantäne auch noch bezahlen.

So unsinnig wie die freiwillige Lohnfortzahlung ist, so eklatant ist auch die Unwissenheit der Landesregierung: Sie weiß nicht, wie viele ihrer Beamten und Angestellten überhaupt betroffen sind. Sie konnte die Kosten nicht einmal schätzen. Und nicht einmal nachvollziehbare Gründe für ihre Entscheidung führte das Finanzministerium auf. Das nennt man wohl einen Blankoscheck erteilen.

Foto: Fotolia/maho

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