05.02.2020

Wiederkehrende Beiträge: Für Bürger und Gemeinde teuer

BdSt-Vortrag zu Straßenausbaubeiträgen in Wissen

Auf Einladung der Bürgerinitiative Wissen referierte Frank Senger vom Steuerzahlerbund über Straßenausbaubeiträge. Im Zentrum standen die wiederkehrenden Beiträge, deren Einführung in Wissen umstritten ist. Der aktuelle Gesetzentwurf der Ampel-Koalition geht dem BdSt nicht weit genug.

Wissen an der Sieg ist ein Städtchen mit rund 8.300 Einwohnern. Die Stadt im Westerwald ist hochverschuldet. Dies sei ein Grund für die Einführung von wiederkehrenden Beiträgen, ist sich André Kraft sicher. Kraft ist Sprecher der Bürgerinitiative (BI) Wissen, die sich gegen wiederkehrende Beiträge stellt. Kraft und seine Mitstreiter haben erkannt: Durch den niedrigen Gemeindeanteil sind wiederkehrende Beiträge langfristig für die meisten Bürger teurer als Einmalbeiträge. Mehrere Informationsveranstaltungen zum Thema führte die BI bereits durch, bis sie auch den Steuerzahlerbund einlud.

Dieser kam in Person von Frank Senger, Leiter der Abteilung Haushalt und Finanzen. Mehr als 150 Zuhörer – darunter auch Gemeinderäte – kamen, um sich über die verschiedenen Systeme der Straßenausbaubeiträge und deren Probleme zu informieren. Zusätzliches Interesse weckte der aktuelle Gesetzentwurf der Ampel-Koalition, wiederkehrende Beiträge zum Regelfall zu machen.

Beide Ausbaubeitrags-Modelle sind problematisch

Senger betonte: „Wiederkehrende Beiträge sind kein gutes Modell. Und auch einmalige Beiträge sind problembehaftet. Deshalb sollten Straßenausbaubeiträge komplett abgeschafft werden.“ Gegen die Ausbaubeiträge sprächen drei wichtige Gründe. Sie sind ungerecht, weil nur wenige für den Ausbau von Gemeindestraßen extra bezahlen, obwohl sie jeder nutzt. Sie sind ineffizient und teuer, da sie verwaltungsaufwendig sind und Rechtsstreite zwischen Gemeinden und Bürger heraufbeschwören. Sie sind zudem auch noch für den Straßenerhalt schädlich, da sie bei Kommunen den Fehlanreiz setzen, ihre Straßen verlottern zu lassen. Wenn eine Straße nicht mehr instandgesetzt wird, ist sie irgendwann so kaputt, dass nur noch eine beitragspflichtige Erneuerung die Verkehrstauglichkeit rettet. Dadurch sparen Kommunen doppelt: die laufende Unterhaltung und einen Großteil der Ausbaukosten.

Gegen Einmalbeiträge spreche vor allen die soziale Härte, so Senger. Schnell betrage der Ausbaubeitrag 30.000 Euro oder mehr. „Das kann nicht jeder aufbringen. Zwar können Ratenzahlungen und Stundungen etwas mildernd wirken, doch ausgerechnet finanziell schwache Bürger zahlen dann sogar mehr als Reiche. Ratenzahlungen und Stundungen verursachen Zinskosten, sozial ist das nicht und trägt eine gewisse Willkür inne“, so Senger. Wenn wiederkehrende Beiträge die Regel werden, dürften die Härtefall-Regelungen in der Praxis überhaupt keine Rolle mehr spielen. Bei einmaligen und wiederkehrenden Beiträgen sinke zudem der Wert des Hauses, wie der BdSt-Vertreter an einem Beispiel aufzeigt: „Soll ein Hauseigentümer 20.000 Euro Einmalbeitrag zahlen und der Verkehrswert des Hauses bei 200.000 Euro liegt, ist das Haus für nur noch 180.000 Euro verkäuflich. Jeder Käufer rechnet öffentliche Lasten in den Preis ein.“

Wiederkehrende Beiträge sind keine Lösung

Den Gesetzentwurf der Landtagsfraktionen von SPD, FDP und Grüne bezeichnete Senger als Mogelpackung. „Nur eine Komplett-Abschaffung der ungerechten Ausbaubeiträge entlastet die Bürger“, so Senger. Er betont, dass unter dem Strich die Anlieger langfristig sogar höhere wiederkehrende Beiträge entrichten müssen als bei Einmalbeiträgen. Grund sei, dass der Gemeindeanteil regelmäßig niedriger ist: Statt bis zu 70 Prozent beläuft sich bei wiederkehrenden Beiträgen der Gemeindeanteil nur auf 20 bis 30 Prozent.

Der niedrige Gemeindeanteil verlocke die öffentliche Verwaltung zur Systemumstellung, so Senger. Doch aus Sicht der Gemeinde können die höheren Beitragseinnahmen zu einem Trugschluss führen. Bei wiederkehrenden Beiträgen ist der Verwaltungsaufwand ungleich höher zu den Einmalbeiträgen, wodurch Mehreinnahmen durch den Amtsschimmel aufgefressen würden.

Zusätzliche Kosten drohen durch wiederkehrende Beiträge, da sie rechtsunsicher sind. Rechtsunsicher sind sie, weil die Abrechnungseinheiten oft nur sehr schwierig abzugrenzen sind. Gleichzeitig bestimmt die Abrechnungseinheit maßgeblich die Höhe des wiederkehrenden Beitrags. Bürger wissen dies und sind bereit zu klagen, um dauerhaft finanziell entlastet zu werden. Letztlich wisse man erst nach einem Gerichtsverfahren, ob die Abrechnungseinheit rechtskonform sei oder nicht, stellt Senger ernüchternd fest.

Daneben bestünde die Gefahr, dass die Kommunalaufsichten oder der Landesrechnungshof in die kommunale Selbstverwaltung eingreife. Anders als bei einmaligen Beiträgen ist bei wiederkehrenden Beiträgen der Gemeindeanteil in der Satzung festgeschrieben – mindestens 20 Prozent. Senger führte ein konkretes Beispiel an: „So monierte der Rechnungshof 2018, dass der Stadtanteil von Trier für wiederkehrende Beiträge im Stadtteil Mariahof mit 30 Prozent zu hoch bemessen sei. Er müsse auf 20 Prozent, höchstens 25 Prozent gesenkt werden. Dabei hatte Trier den Gemeindeanteil bereits von 40 auf 30 Prozent gesenkt. Prompt berechnete der Rechnungshof einen Einnahmeausfall innerhalb von vier Jahren auf knapp 170.000 Euro. 170.000 Euro hätten die Bürger laut Rechnungshof mehr bezahlen müssen.“

Steuergeldverschwendung droht

Der Ampel-Gesetzentwurf dürfe nur ein erster Schritt sein zur Komplett-Abschaffung. Es bestehe die Perspektive, dass die ungerechten Ausbaubeiträge im Zuge der Landtagswahl 2021 abgeschafft werden. CDU, FDP, AfD und Linkspartei sprechen sich für eine Abschaffung aus. Aber wenn die Ausbaubeiträge schon im kommenden Jahr komplett abgeschafft werden, ist die teure Umstellung von einmalige auf wiederkehrende Beiträge unnötig. „Deswegen ist es sinnvoll, mit der Umstellung zumindest noch die Landtagswahl 2021 abzuwarten“, rät Senger den anwesenden Gemeindevertretern.

Foto: BI Wissen.

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