Digitalisierung des BesteuerungsverfahrensDer Weg bis 2022
Der Weg bis 2022
Die Digitalisierung schreitet immer weiter voran und prägt schon heute das Leben und die Wirtschaft deutlich. Dies stellt auch die Finanzverwaltung – neben der demographischen Entwicklung – vor neue Herausforderungen. Um einen gerechten und gleichmäßigen Steuervollzug zu gewährleisten, will die Regierung die Steuerverwaltung mit dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens, das zum 1. Januar 2017 in Kraft tritt, weiterentwickeln. Die technische Umsetzung soll 2022 abgeschlossen sein.
Ziel des Gesetzgebers ist es, zukünftig den Großteil der elektronischen Erklärungen automatisiert zu bearbeiten und zu veranlagen, ohne dass ein personeller Eingriff in Abläufe erfolgt. Dafür sollen verstärkt Daten von dritter Seite beigesteuert werden (z.B. vom Rentenversicherungsträger u.a.), die für diese Daten haften. Der Amtsermittlungsgrundsatz wird um eine risikoorientierte Programmprüfung mit Zufallsauswahl ergänzt. Schwerpunkt ist die sogenannte „vorausgefüllte Steuererklärung“ sowie ein IT-gestütztes Risikomanagement. Signifikante steuerliche Risiken sollen so effektiv und konzentriert geprüft werden.
Neuregelung zur Datenübermittlung durch Dritte
Sofern von Dritten (wie z.B. Arbeitgeber, Versicherungen, Banken oder Sozialversicherungsträger u.a.) Daten an die Finanzverwaltung übermittelt werden, ist der Steuerpflichtige hierüber zu informieren. Diese Drittdaten gelten als Daten des Steuerpflichtigen, sofern er in der Steuererklärung keine abweichenden Angaben in sogenannten „qualifizierten Freitextfeldern“ macht. In diesen Fällen ist die Erklärung durch einen Amtsträger zu prüfen. Sind dagegen die von Dritten elektronisch übermittelten Daten nicht zutreffend berücksichtigt worden, ist ein Steuerbescheid zu korrigieren. Ansonsten erfolgt eine automationsgestützte Veranlagung.
Neuerungen zur Abgabe von Steuererklärungen
Die Abgabefrist von Jahressteuererklärungen wird für Besteuerungszeiträume nach 2017 neu gefasst. Bei der Einkommensteuererklärung 2018 endet sie bei unberatenen Steuerpflichtigen am 31. Juli 2019, bei Steuerpflichtigen mit Steuerberater am 2. März 2020 (da 29. Februar 2020 = Samstag). Vor Fristende können Vorabanforderungen erfolgen. Beispiele: Herabsetzungsantrag Vorauszahlungen, vorgesehene Außenprüfung, Betriebseröffnung etc. Nach einer Vorabanforderung (frühestens ab 31. Juli) wird die Erklärungsfrist auf vier Monate verkürzt. Fristüberschreitung bedeutet Verspätungszuschlag. Dieser beträgt für jeden angefangenen Monat 0,25 % der um die Vorauszahlungen und die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge verminderten Steuer. Der monatliche Mindestverspätungszuschlag beträgt 25 €. Es gibt eine Ermessensfestsetzung, wenn das Finanzamt eine Steuer auf 0 € oder eine Steuererstattung festsetzt.
Vollautomationsgestützte Veranlagung
Die Finanzbehörden können Steuerfestsetzungen ausschließlich automationsgestützt erlassen, ändern oder aufheben. Anlässe für die Einzelfallbearbeitung durch einen Amtsträger bestehen z.B. wenn das Risikomanagementsystem ausgesteuert hat, wenn im „qualifizierten Freitextfeld“ abweichende Angaben zu Drittdaten eingetragen wurden oder wenn der Steuerpflichtige dokumentiert von der Verwaltungsmeinung abweicht.
Elektronische Steuerverwaltungsakte
Die Finanzverwaltung kann Steuerbescheide, Einspruchsentscheidungen oder Prüfungsanordnungen zum elektronischen Datenabruf bereitstellen, wenn der Beteiligte bzw. der Steuerberater hierzu einwilligen. Die Steuerverwaltungsakte gelten drei Tage, nachdem die Finanzverwaltung eine elektronische Nachricht über den Datenabruf abgesendet hat, als bekannt gegeben.
Fazit
Bis 2022 bleibt noch viel zu tun – Qualität muss hier vor Tempo gehen. Die Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens wird den Personalabbau bei der Finanzverwaltung forcieren. Der Steuerberaterverband weist darauf hin, dass dies nicht nur zu Lasten der Steuerpflichtigen und ihrer Steuerberater gehen darf, da durch die maschinelle Verarbeitung immer mehr Aufgaben dorthin verlagert werden (z.B. Belegvorhaltepflichten, Rückfragen, EDV-Programmfunktionen etc.). Eine Haftungsausweitung auf Steuerberater und Steuerpflichtige lehnt der Verband ab, da die Sachverhalte mit hoher Kompetenz abgewickelt werden müssen. Der Prüf- und Nachsorgeaufwand der Steuerberater ist wegen der nicht fehlerfrei arbeitenden EDV der Zulieferer (Vollmachtsdatenbank) und der Finanzverwaltung (Steuerprogramme) zudem noch erheblich.
Ein großer Zeit- und Kostennachteil ist, dass trotz der Digitalisierung eingescannte Belege immer noch nicht von der Finanzverwaltung verarbeitet werden können – diese müssen weiterhin in Papier vorgelegt werden. E-Mail-Verkehr ist nur eingeschränkt, seitens des Finanzamtes aus Datenschutzgründen fast gar nicht möglich. Eine Selbstveranlagung nach amerikanischem Vorbild, in einem immer komplizierter werdenden Steuerrecht, kann meiner Meinung nach keine Unterstützung finden – im Gegenteil ist mehr Dienst am Bürger erforderlich.
Von Michael Weidenfeller, Präsident des Steuerberaterverbandes Rheinland-Pfalz e.V. und Mitglied im Verwaltungsrates des Bundes der Steuerzahler Rheinland-Pfalz e.V.
Foto: Steuerberaterverband Rheinland-Pfalz e.V.
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