13.03.2017

Wer aufwärts will, muss aufwärts blicken

Die erfolgreiche Haushaltskonsolidierung der Stadt Monheim am Rhein

Als ich zum 1. Oktober 2013 mein Amt als Kämmerin der Stadt Monheim am Rhein (Kreis Mettmann in Nordrhein-Westfalen) antrat, hatte dort gerade eine „Zeitenwende“ stattgefunden: Erst ein paar Tage zuvor, im September 2013, war der letzte Kredit abbezahlt worden, der zur wirtschaftlichen Schuldenfreiheit führte. Bis dahin war Monheim am Rhein eine arme Stadt, die lange Zeit unter ihren strukturellen Schwächen gelitten hatte.

Im Jahr 1987 schloss die Raffinerie Shell ihr Monheimer Werk. Bis dahin war sie Monheims größter Arbeitgeber und prägte das Bild der Stadt entscheidend mit. Die Schließung war von ihren Auswirkungen her mit einer Zechenschließung gleichzusetzen und erforderte einen Strukturwandel, der eine enorme Herausforderung darstellte und nicht von heute auf morgen zu bewältigen war.

25 Hektar Fläche lagen an der Rheinpromenade auf einmal brach. Doch es entstand hier nicht etwa ein Industriemuseum, sondern das Areal wurde über viele Jahre hinweg aufwendig saniert. Aus der Ende der 1980er-Jahre noch existierenden Industrieruine wurde das heutige Monheimer Premium-Gewerbegebiet entwickelt – der Rheinpark. An die alte Raffinerie erinnern in diesen Tagen nur noch die Fassabfüllhalle, die demnächst als Stadthalle in neuem Glanz erstrahlen soll, sowie das ehemalige Verwaltungsgebäude.

Doch wie gelang der Stadt Monheim am Rhein dieser Turnaround, der alles entscheidende Richtungswechsel? Üblicherweise führen ein teurer Strukturwandel zusammen mit einer entsprechenden Wirtschaftsschwäche und hohen Personalkosten in Kombination mit mutlosen Entscheidungen zu einer Erhöhung des Schuldenbergs. Die Lösung bestand aus einer Portion Glück, guten Umfeldbedingungen und einer ganz gehörigen Portion Mut und Entschlusskraft.

Bis zur Haushaltsplanung 2011 befand sich die Stadt Monheim am Rhein in dem Zustand der vorläufigen Haushaltsführung und des Nothaushaltsrechts. Ihr ging es finanziell jahrelang genauso schlecht wie jeder anderen Kommune in einem solchen Umfeld des strukturellen Wandels und der Hoffnungslosigkeit. Massive Probleme belasteten den Haushalt. Trotz guter Flächen gab es nur wenige Ansiedlungserfolge. Die Rückmeldungen von Unternehmern und der IHK lauteten stets ernüchternd: Standortkosten zu hoch!

Beginn der Wende

Das Glück ereilte die Stadt, als im Jahresverlauf 2011 unerwartete Gewerbesteuernachzahlungen in Höhe von 40 Mio. Euro – mehr als doppelt so hoch wie erwartet – als nachträgliches Ergebnis einer Steuerreform in die Stadtkasse flossen. Für die Jahre 2011 und 2012 war plötzlich ein Haushaltsausgleich gegeben. Damit war die Stadt für einen Moment aus der Situation eines Nothaushaltes und der Haushaltssicherung heraus, und damit von der zwingenden Genehmigungspflicht durch die Aufsichtsbehörde befreit.

Üblicherweise sind solche einmaligen Zufallsgaben schnell wieder ausgegeben und der alte Zustand wieder hergestellt – nicht aber in Monheim am Rhein. Denn genau das wollte man nicht zulassen und stellte sich die strategische Frage, wie die neue Situation verstetigt werden könnte und die Stadt in der Zukunft aussehen soll. Den Rückfall in den Tatbestand der Haushaltssicherung und damit der aufsichtsbehördlichen Genehmigungspflicht, die auch eine Senkung des Gewerbesteuerhebesatzes nicht gestattet hätte, sollte unbedingt verhindert werden. An dieser Stelle in der Monheimer Geschichte kamen Mut  und Entschlusskraft hinzu und die Erkenntnis, dass niedrigere Gewerbesteuerhebesätze unter Wettbewerbsbedingungen wohl zu eher höheren Gewerbesteuererträgen führen würden.

Senkung der Gewerbesteuer

Viele Kommunen negieren die Existenz eines steuerlichen Wettbewerbs – und geben sich dem Wettkampf um Schlüsselzuweisungen hin. In Monheim am Rhein war die wettbewerbliche Betrachtungsweise eine andere, und die jahrelange Notsituation schweißte Politik und Verwaltung in bemerkenswerter Form zusammen: Im August 2011 erfolgt eine Absichtserklärung der aller Ratsfraktionen, in dem sämtliche fünf Fraktionsvorsitzenden schriftlich versprachen, dass der Stadtrat einer massiven Senkung der Gewerbesteuer zustimmen würde, wenn es der Stadtverwaltung gelänge, die hierdurch entstehenden Verluste durch Neuansiedlungen auszugleichen.

Dabei war klar, dass zur Finanzierung der Gewerbesteuersenkung eine bloße Kompensation der Mindereinnahmen nicht ausreichen würde, da die Umlagen an den Kreis, das Land und den Bund ja umgekehrt proportional zur Höhe des tatsächlichen Hebesatzes zu entrichten sind.

Senkung der Grundsteuer B

Die ersten Ansiedlungserfolge kamen. Mutig beschloss der Rat am 28. März 2012 daher die Senkung des Gewerbesteuerhebesatzes von 435 auf 300 Punkte. Um auch eine breite Entlastung der Bürgerinnen und Bürger in Monheim am Rhein zu erreichen, wurde zudem der Hebesatz für die Grundsteuer B von 455 auf 400 Punkte und die Gebühren für die Kinderbetreuung in sämtlichen Monheimer Kindertagesstätten um 30 Prozent gesenkt, für alle Einkommensgruppen gleichermaßen.

Die Absenkung der Gewerbesteuer auf 300 Punkte bedeutete seinerzeit den niedrigsten Gewerbesteuerhebesatz in Nordrhein-Westfalen. Damit verändert sich ein entscheidender Standortfaktor zu Gunsten von Monheim am Rhein und übte fortan eine Sogkraft auf viele verlagerungs- und expansionswillige Unternehmen aus. Die durch die Gewerbesteuerhebesatzsenkung bedingte Chance, die Wirtschaftsstruktur des Standortes innerhalb der nächsten Jahre nachhaltig zu entwickeln, den Haushalt zu konsolidieren und die Schulden abzubauen, wurde mit dieser Strategie zielgerichtet verfolgt.

Schon das Jahr 2011 war mit der Ansiedlung von acht Unternehmen und der Akquise  zahlreicher Investoren sehr erfolgreich. Durch weitere Ansiedlungserfolge entstanden in den Jahren 2011 bis 2013 etwa 1.500 neue Arbeitsplätze. Bis heute sind es sogar 2.500 Arbeitsplätze – mit stetig weiter steigender Tendenz. Das entspricht einer Steigerung der derzeit 11.071 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in den letzten Jahren um mehr als 13 Prozent. Zum Vergleich: In den zehn Jahren zuvor waren insgesamt 1.500 neue Arbeitsplätze entstanden – 150 pro Jahr. Schon mit diesen Zuwächsen wies Monheim am Rhein die höchste Dynamik bei der Schaffung von Arbeitsplätzen im Kreis Mettmann auf. So war mit der Senkung des Gewerbesteuerhebesatzes als Wirtschaftsförderungsmaßnahme also durchaus mit der Ansiedlung weiterer Unternehmen zu rechnen.

Fortlaufende Jahresüberschüsse

 Mit den Unternehmensansiedlungen, die sich in den Folgejahren tatsächlich fortsetzten   kam der wirtschaftliche Erfolg für die Stadt. Inzwischen haben sich rund 350 Gewerbeunternehmen aller Größenordnungen in Monheim am Rhein neu angesiedelt. Während der städtische Haushalt 2012 zuerst noch mit einem Jahresfehlbetrag von 3,8 Mio. Euro geplant war, wurde im Ergebnis tatsächlich ein Überschuss in Höhe von 79,6 Mio. Euro erzielt. Auch in den Folgejahren konnten weitere Überschüsse erwirtschaftet werden. Zuletzt lag der Jahresüberschuss 2015 bei rund 62,1 Mio. Euro. Für das laufende Jahr werden knapp 20 Mio. Euro prognostiziert – trotz stetig steigender Investitionen und Abgaben an Bund, Land und die benachbarten Kommunen.

Das positive Jahresergebnis 2012 beruhte auf 147,1 Mio. Euro Gewerbesteuererträgen, die sich in den Folgejahren bis auf 278 Mio. Euro im Jahr 2015 steigerten. Für das Jahr 2016 wird von 240 Mio. ausgegangen. Im Jahr 2010 sah die Situation deutlich trüber aus: Die Gewerbesteuererträge betrugen hier gerade einmal 16,2 Mio. Euro. Bei der Entwicklung seit 2014 ist zu berücksichtigen, dass der Gewerbesteuerhebesatz zum 1. Januar 2014 auf 285 und zum 1. Januar 2016 nochmal auf 265 Punkte weiter gesenkt wurde. Erst mit einem Gewerbesteuerhebesatz von 265 Punkten gelang es, sich im Mittelfeld des internationalen Wettbewerbs mit einer Gesamtsteuerquote von 25,1 Prozent zu etablieren.

Im internationalen und europäischen Vergleich liegt Monheim am Rhein mit der bisherigen Steuerquote von 25,1 Prozent in direkter Konkurrenz zu Österreich und den Niederlanden mit Steuerquoten von jeweils exakt 25,0 Prozent. Vor dem Hintergrund einer zurzeit innerhalb Europas herrschenden Steuersenkungspraxis und der Tatsache, dass nur Städte mit niedrigsten Hebesätzen eine Chance haben, sich im internationalen und europäischen Steuerwettbewerb einzuordnen, ist nun sogar die Erreichung einer Steuerquote von unter 25 Prozent das Ziel, um den Platz im Mittelfeld der Steuersätze zu halten oder sogar noch weiter zu verbessern, und um im internationalen Wettbewerb weiter mithalten zu können. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde der Gewerbesteuerhebesatz zum 1. Januar 2017 auf 260 Punkte gesenkt. Trotz der erneuten Hebesatzsenkung wird in Monheim am Rhein von Gewerbesteuererträgen in Höhe von 260 Mio. Euro für das laufende Jahr ausgegangen.

Weitere Standortvorteile

Doch Steuerquoten sind bekanntermaßen nicht das einzige Kriterium für eine Standortentscheidung. Die gegebenen Umfeldbedingungen wie eine ausgezeichnete Verkehrsinfrastruktur durch drei Autobahnanschlüsse und zwei benachbarte Flughäfen in Düsseldorf und Köln, jeweils nur 30 Autominuten entfernt, sowie eine gute ÖPNV-Anbindung waren und sind weitere wichtige Standortfaktoren. Allein die gute Lage zwischen Düsseldorf und Köln spricht für eine positive Standortentscheidung.

Diese gegebenen infrastrukturellen Bedingungen haben die Gewerbesteuerstrategie begünstigt, vielleicht sogar erst möglich gemacht, weshalb das Monheimer Modell wohl nicht überall einfach 1:1 übertragbar ist. Ohne diese guten infrastrukturellen Bedingungen wäre die gesamte Gewerbesteuerstrategie gewiss zumindest erschwert worden.

Schließlich gibt es aber noch viele weitere für eine Unternehmensansiedlung ebenfalls sehr wichtige Standortfaktoren, die man als Stadt durchaus gestalterisch beeinflussen kann. Auch die Beschäftigen von Unternehmen sollten sich zum Beispiel mit ihren Familien in der Nähe ihres Arbeitgebers wohlfühlen. Und in Monheim am Rhein lässt es sich ganz hervorragend, zentral und doch naturnah leben – mit viel Wasser, viel Grün und einer lebendigen Alt- und Innenstadt. Die Betreuung aller Kinder bis zum zehnten Lebensjahr ist bei uns inzwischen komplett kostenlos, Schulen und Kitas sind baulich und personell hervorragend ausgestattet. In einer finanziell gesunden Stadt lässt sich in vielen Bereichen Gutes bewegen – Kultur, Sport, Gemeinschaftsförderung. Ein flächendeckendes Glasfaser- und WLAN-Netz sind bei uns im Aufbau, die Entwicklung zur Smart City angestoßen. Und: Es gibt hier eine schnelle, unbürokratische Verwaltung für alle. Erfolg kommt nicht von allein. Und er bleibt nicht von allein. Wir bleiben dran.

Von Sabine Noll, Kämmerin der Stadt Monheim am Rhein.

Fotos: Stadt Monheim am Rhein

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